Bloß keinen fundamentalen Attributionsfehler begehen

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Der Blick in den Alltag anderer übt eine große Faszination aus. Ist aber oft irreführend.

Auf Facebook und anderen sozialen Netzwerken die Statusmeldungen von Freunden zu verfolgen ist nicht immer leicht zu ertragen. Nicht nur dieser Tage, wenn ständig Fuß-Selfies, Strand- und Sonnenuntergangsfotos aus dem Urlaub gepostet werden, während man selbst im über- oder unterklimatisierten Büro sitzt und sich im Fernweh suhlt. Auch sonst laden sie zumeist Bilder von sich hoch, auf denen sie lachen, feiern oder einen exotischen Sport wie Speed Badminton treiben. Also müssen sie glücklich sein, interpretiert unser Wahrnehmungsapparat. Lässt aber bei seinen Urteilen die Situation außer Acht. Begeht also einen sogenannten fundamentalen Attributionsfehler. Das ist die Neigung, in der Beurteilung von jemandem die Personeneigenschaften zu über- und die Situation zu unterschätzen. Schon bemerkenswert, dass es für dieses Phänomen in der Psychologie einen eigenen Begriff gibt.

Vielleicht ist es lohnend, ihn sich zu merken. Falls im Freundeskreis wieder einmal dieses Thema aufkommt und man sich wichtigmachen will. Ein anderes Beispiel für einen fundamentalen Attributionsfehler: Sie werden im Bus angerempelt und führen das auf die Unfreundlichkeit des Remplers zurück, anstatt auch den begrenzten Raum im Bus zu berücksichtigen. So, wie Sie oft vergessen, dass auch Ihre Freunde manchmal in ihren Unterhosen auf der Couch sitzen und „Downton Abby“ sehen, während sie Chips aus der Packung essen und Dosenbier trinken. Denn Sport treiben ist erst einmal nicht, weil sie sich beim Schnupperkurs in Speed Badminton den Knöchel verletzt haben. Nur machen sie von all dem keine Fotos. Und posten sie schon gar nicht auf Facebook. Sie sind also weder glücklicher als Sie, noch feiern sie besser oder fahren öfter auf Urlaub. Sie teilen einfach nur gern und präsentieren sich dabei von ihrer Schokoladenseite.

E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2015)

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