StVO? Was heißt das doch gleich? Stehen Vor Orakeln?

(c) Freitag
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Zugegeben, man kann's mit der Ordnungsliebe auch übertreiben.

Nehmen Sie zum Beispiel mich: Als Jahrein-jahraus-Radfahrer hielt ich mich lange Zeit so buchstäblich an die Buchstaben der Straßenverkehrsordnung, als wär' sie eine Art Gesetz. Sie werden sagen: Lächerlich! Aber: Was hätte ich tun sollen? Ampelfarben, Verkehrszeichen, Bodenmarkierungen, all das lieferte mir Handlungsanweisungen, die zu befolgen waren, ein Verhalten, das, gemessen am radfahrerischen Normalfall rund um mich, eindeutig ins krankhaft Zwangsneurotische ressortierte. Mich der Kunst hiesiger Psychiatrie zu überantworten schien mittelfristig unvermeidlich.

Doch dann kam alles anders. Kürzlich, ich radelte so für mich hin, den Radweg am Franz-Josefs-Kai vom Schottenring dem Schwedenplatz entgegen, sah ich mich dort, wo die Werdertorgasse einmündet, einem verkehrsbehördlichen Schilderdoppel gegenüber, das mir den Atem stocken ließ: das Hinweiszeichen „Radfahrerüberfahrt“, kombiniert mit einem unmissverständlichen „Einfahrt verboten“.

Nun ist es schon ungewöhnlich genug, als Benützer eines Radwegs auf einen weiteren, querenden Radweg hingewiesen zu werden. Vor allem aber: Da ist kein weiterer Radweg. Das Einzige, was ein paar Meter später quert, ist die Straßenbahn. Und wozu überhaupt auf eine (vermeintliche) Radfahrerüberfahrt hinweisen, wenn das Zeichen drüber ohnehin die Weiterfahrt verbietet? Und all das auf einem der meistgenutzten Radwege Wiens?

Ich bekenne: Es kam, wie es niemals hätte kommen dürfen. Ich tat, was ohnehin alle Radfahrer um mich gleichfalls taten, fuhr weiter, Schilder einfach Schilder sein lassend. Warum sollte ich ernst nehmen, was offenbar nicht einmal die verantwortliche Behörde selbst besonders ernst nimmt? Seither darf ich mich als geheilt betrachten. Ich bolze über Gehsteige, übertrete jedes Verbot, das ich nur finden kann, und das Rot einer Ampel beschleunigt mich, statt mich zum Halt zu bringen. StVO? Was hieß das doch gleich? Stehen Vor Orakeln?

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2015)

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