Schmalhans ist der beste Küchenmeister (2)

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Vor einer Woche habe ich an diesem Orte zur Debatte gestellt, eine Geschichte der Armut, des Mangels und der Knappheit stehe an der Wiege der besten regionalen Küchen der Welt.

Der Hinweis auf die toskanische, korsische, südostasiatische Kochkunst sowie das fabelhafte Essen in Südlouisiana sollte diese These bekräftigen, und ich hätte noch die kreolische Cuisine von New Orleans hinzufügen können, die man ja nicht mit jener der Cajuns nebenan in einen, nun, Topf werfen darf. Jedenfalls wären die französischen Kolonisten von La Nouvelle Orléans ohne den kulinarischen Einfallsreichtum ihrer afrikanischen Sklaven noch zahlreicher verhungert, als sie das in den Jahrzehnten nach der Gründung der Stadt im Jahr 1718 ohnehin taten.

Ein guter Einwand gegen diese Austeritätsthese lautet, das feine Essen gebe es dort, wo lange imperiale Herrschaftszeiten samt ihrer höfischen Bankettkultur und den dafür nötigen professionalisierten Küchenmannschaften bestanden hätten. Auch das stimmt, wenn man an Frankreich, China und – natürlich! – die Nachfolgestaaten der Habsburger-Monarchie denkt. Ich denke allerdings, dass sich Austerität und Fülle ab dem Zeitpunkt zu einer großen Küchenkunst verbanden, wo sich die Esskultur demokratisierte. Die französische Speisenpracht erblühte zum Beispiel erst nach dem Ende der Bourbonen, als sich die Hofköche von Louis XVI. auf der Suche nach neuen Kunden an das Bürgertum wandten. Vor der Revolution gab es in Paris weniger als 50 Restaurants, im Jahr 1814 waren es mehr als 3000, wie Michael Murphy in „Eat Dat“ festhält, einem nützlichen Führer durch die Esskultur von New Orleans.

Ich denke, die gute Küche ist überall eine, die mit ihren Zutaten sorgsam haushaltet. Vielleicht ist diese Nachdenklichkeit des Cuisiniers ein Weg, um der Ressourcenknappheit auf der Erde beizukommen, ohne in sinnesfeindlichen Ökopuritanismus zu verfallen. Dann könnten wir unsere Welt mit jedem Gabelbissen ein wenig retten. Darf's ein bisserl weniger, aber besser sein?

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2015)

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