Camping

(c) Clemens Fabry
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Es gibt mehr als einen Grund, warum ich vor Erreichen des 34. Lebensjahrs noch nie auf einem Campingplatz übernachtet habe.

Die Ablehnung beginnt schon in dem Moment, in dem ich nur einen unschuldigen, zur vorübergehenden Bebauung vorgesehenen Fleck Wiese vor mir habe. Gruppendynamische Prozesse sind mir ein Graus: Während sich die einen wichtig machen und so tun, als ginge es hier nicht um den Aufbau eines Zelts, sondern, sagen wir, die Planung eines Großstadtflughafens samt Freizeitpark, Übernachtungsmöglichkeiten und einem großen Angebot überteuerter Selbstbedienungsrestaurants, stehen die anderen – wie ich – untätig und gelangweilt herum: in der Hoffnung, die Aktivität möge ein baldiges, erfolgreiches Ende finden. Die mehrseitige Beschreibung mit mindestens drei Dutzend kleinen Zeichnungen und noch mehr Pfeilen bestärkt sie in dieser Hoffnung nicht gerade.

Nachdem die vielen herumliegenden Schnüre, Heringe und Stoffpakete endlich ihrer Bestimmung zugeführt wurden, beginnt die Diskussion darüber, ob das Zelt bis zur Schlafenszeit besser geöffnet (zum Auslüften!) oder geschlossen (die vielen kleinen Tiere!) bleiben sollte. Auch die Auswahl der Nahrungsmittel, die zu später Stunde – erst, wenn die Glut perfekt ist! – auf dem Griller landet, gelingt nicht ganz problemlos – aber von Unverträglichkeiten brauche ich hier nicht zu erzählen. Derweil geraten Kleidungsstücke, Kosmetika und andere angeblich unverzichtbare Habseligkeiten der Campinggemeinde nach kurzer Zeit völlig durcheinander.

Bald schon ist die letzte laue Sommernacht fast vorbei, doch die Kinder passen noch darauf auf, dass das Feuer nicht erlischt. Wir kriechen in die engen Schlafsäcke, Mücken toben an der kleinen Lichtquelle an der Zeltdecke (ein Indiz dafür, dass der Zipp immer geschlossen bleiben sollte!). Die Luft ist rein und frisch wie seit Wochen nicht. Doch lange finde ich keinen Schlaf: Wie unfassbar lächerlich sind meine Sorgen, denke ich, angesichts jener Menschen, die von zu Hause fliehen mussten und nun Nacht für Nacht unter freiem Himmel schlafen müssen.

E-Mails an: anna.gabriel@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2015)

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