Wahlkampf für Fünfjährige

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THEMENBILD: WIEN-WAHLAPA/HELMUT FOHRINGER
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Von den ersten Wahlen, die ich als Volksschülerin bewusst wahrgenommen habe, sind mir folgende Dinge in Erinnerung geblieben: Lauter Erwachsene gehen plötzlich in meine Klasse, um sich dort in einer Art Umkleidekabine heimlich zu entscheiden, ob sie den Waldheim oder den Steyrer besser finden.

Von den ersten Wahlen, die ich als Volksschülerin bewusst wahrgenommen habe, sind mir folgende Dinge in Erinnerung geblieben: Lauter Erwachsene gehen plötzlich in meine Klasse, um sich dort in einer Art Umkleidekabine heimlich zu entscheiden, ob sie den Waldheim oder den Steyrer besser finden. Am interessanten fand ich dabei, dass beide Kandidaten nicht nur denselben Vornamen hatten (Kurt), sondern diesen auch mit einer unserer Wasserschildkröten teilten. (Die andere hieß Karli.)

Die Wien-Wahl ist jedenfalls die erste, die das Kind bewusst mitbekommt. Und es weiß jetzt: Der Chef von Wien ist rot, und der Blaue will auch Chef von Wien werden. Interessant aus Kindersicht sind vor allem die unterschiedlichen Farben („Es gibt eine rosarote Partei? Echt?“), Schwarz und Blau interessierten das Kind aufgrund ihrer „Bubenfarben“-Kolorierung zunächst nicht.

Bis wir den ÖVP-Wahlwerbern in die Arme liefen, die uns rote(!) Gummiherzen in die Hand drückten und dabei gelbe Jacken trugen. „Wieso sind die gelb, wenn sie eigentlich schwarz sind?“, fragt das Kind. Abgelöst wurden die vorläufigen schwarzen Favoriten dann von „dieser einen netten Frau, die uns die grüne Einkaufstasche geschenkt hat“ (= Maria Vassilakou). Aber nur so lang, bis wir einige Tage später von einem SPÖ-Werber einen Prospekt bekamen, in dem Kinder in einem Freibad zu sehen sind (Kind: „Die wähle ich!“). Und seit das Kind beim SPÖ-Stand auch noch ein Glückskeks (mit dem sachdienlichen Hinweis, dass da „a Zetterl drin is, wie bei die Chinesen“) und einen Heliumluftballon abgestaubt hat, bettelt es, ich möge doch „bitte bitte die Roten wählen“. Sollten uns allerdings bis nächsten Sonntag noch andersfarbige Wahlwerber über den Weg laufen, die, sagen wir, knallrosa Zuckerwatte verteilen, sehe ich gute Chancen, dass das Kind zu einem weiteren Meinungsschwenk bereit sein könnte. Fünfjährige sind eindeutig leicht beeinflussbare Wechselwähler.

Eines findet das Kind auf jeden Fall richtig unfair: dass Kinder gar nicht wählen gehen dürfen.

Wirklich völlig unverständlich.

E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2015)

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