Der Biber und die Brauchtumspflege

Nachwuchs bei den Bibern im Zoo Wuppertal
Nachwuchs bei den Bibern im Zoo Wuppertal(c) APA/dpa/Oliver Berg (Oliver Berg)
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Es trifft sich vorzüglich, wenn man als Auslandsösterreicher just in der Heckwelle zweier Landtagswahlen die Heimat besucht.

So eine Woche in Wien hilft nicht nur dabei, sich des Umstandes zu vergegenwärtigen, dass diese Stadt wesentlich schöner und lebenswerter ist, als es sich so mancher ihrer Bewohner eingestehen möchte. Man kann sich auch in der tröstlichen Gewissheit wiegen, dass unsere Landespolitiker den brennenden Problemen der Zeit mit Augenmaß und Sachverstand auf den Grund gehen.

Auf Seite 32 des Arbeitsübereinkommens der neuen oberösterreichischen Landesregierung zwischen der ÖVP und der FPÖ lässt sich beispielsweise dieser Satz lesen: „Die oberösterreichische Brauchtumspflege ist insbesondere in Kinderbetreuungseinrichtungen und Bildungsanstalten zu vermitteln.“ Nur einen Augenblick lang gibt man sich dummen Überlegungen hin, wie Scharen von Kleinkindern ob der Enns von landesgesetzlich genormten Instrukteuren im Aperschnalzen und der Ausrichtung von Lichtbratlmontagen geschult werden. Nein, die schwarz-blaue Landesregierung kann mit ihrer frühkindlichen Brauchtumsoffensive eine der härtesten politischen Nüsse dieser Tage knacken, nämlich die Invasion der Biber. Die waren einst vom Aussterben bedroht, jetzt nehmen sie überhand, und sie zerstören den Überschwemmungsschutz entlang der Donau. Was tun? Massenhaft Biber abknallen? Geht nicht, da revoltieren die Tierschützer. Die Besinnung auf eine Tradition des christlichen Abendlandes vermag das Dilemma zu lösen. Biber waren im Mittelalter eine beliebte und kirchlich approbierte Fastenspeise. Dieses Brauchtum wurde auch in Oberösterreich gepflegt, wieso sollte man es nicht wiederbeleben? Bibergulasch, gespickter Biber, Roast Biber, Bibercrèmesüppchen: Der Fantasie des brauchtumspflegenden Schulkantineurs sind keine Grenzen gesetzt. Ob's schmeckt oder zum Brechen animiert, ist stets eine Frage des Würzens und Weichkochens. In der Küche ebenso wie in der Politik.

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2015)

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