Es gibt Essen

Ein Anthropologe sollte sich dringend der Sache annehmen, denn zumindest meine Wenigkeit findet die Konstellation höchst spannend: Großraumbüros für Redaktionen nämlich.

Eine Horde Menschen, die sich hauptberuflich um Angelegenheiten anderer kümmert, in ein einziges Zimmer zu sperren, ist eine mutige Angelegenheit. Denn auch gegenüber den Kollegen kann man die journalistische Neugierde irgendwann nicht mehr einfach so ablegen. Am deutlichsten zeigt sich das um die Mittagszeit. Denn Journalisten essen nicht nur gern, sie reden auch gern darüber. Vor allem über die Ernährungsgewohnheiten anderer Leute.

Ich bin da gar keine Ausnahme: Mit welcher Hingabe man Lebkuchen (ja, um diese Zeit schon) oder Lakritze futtern kann, fasziniert mich wirklich. Ebenso wie die Fürsorglichkeit eines Kollegen, der uns bis zum Zuckerschock über das Nachmittagstief rettet. Und es gibt in ihrer Ernährungsweise erstaunlich konstante Kollegen: Der eine hat sich auf Pizza und Pasta spezialisiert (nein, das ist kein Italiener), der andere auf sein tägliches Schnittlauchbrot. Mehr Infos kann ich zu den Personen leider nicht verraten. Der eine ist Jurist, der andere geht boxen. Und ich möchte weder eine Klage noch einen Clinch am Hals haben.

Ich für meinen Teil kriege natürlich auch mein Fett ab. „Ist das dein dritter Toast? Das ist schon viel!“, bekomme ich zu hören. „Obst soll man in der kalten Jahreszeit nicht essen“, belehrt mich wiederum ein anderer Kollege, während ich mir eine Mango aufschneide. Als ich einmal eine italienische Colomba mitgenommen habe, fragte der Kollege, wer denn über meinen Kuchen drübergefahren ist. Eine Freundin bekam mit einem Teller grüner Pesto-Nudeln in der Hand den Tipp, doch bitte nicht nur Salat zu essen.

Aber so ein Großraumbüro hat natürlich auch sein Gutes. Man lernt die Vorlieben und Unverträglichkeiten anderer kennen und nimmt darauf Rücksicht. Da sagt schon mal ein Kollege zum anderen: „Trinken Sie den Wein – der ist garantiert laktosefrei!“

E-Mails an: iris.bonavida@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2015)

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