Neuigkeiten vom „War Against Drugs“

(c) EPA (JUAN CARLOS HIDALGO)
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Vor genau einem Jahr stimmten in der US-Hauptstadt Washington 70,06 Prozent der Wähler dafür, den Marihuanakonsum zu entkriminalisieren.

Wer älter als 21 ist, darf bis zu 60 Gramm des halluzinogenen Krauts für den Eigengebrauch besitzen und maximal die Hälfte davon unentgeltlich weitergeben. Die Stadtregierung hat diese Bürgerinitiative tatkräftig unterstützt und postwendend Regeln für das (innerhalb der Stadtgrenzen des District of Columbia legale, nach US-Bundesrecht aber weiterhin verbotene) Kiffen erlassen. Innerhalb der eigenen vier Wände darf man, außerhalb aber nicht, theoretisch nicht einmal auf dem eigenen Balkon.

Mir selbst sind die Freuden des THC fremd, der Ekel vor dem Lungenzug hat vor zwei Jahrzehnten meine Laufbahn als Raucher herkömmlicher Tabakwaren nach circa zehn Tagen beendet. Grundsätzlich aber fand ich diese Lockerung sinnvoll. Die Washingtoner Polizei hat, wenn man sich die enorm gestiegene Mordrate vor Augen führt, Wichtigeres zu tun, als Hascher zu jagen. Doch dann zogen zwei junge Damen in das Kellerapartment unter unserer Wohnung ein, und seither stinkt es im ganzen Haus fast täglich nach Cannabis. Das liegt an der großartigen Klima- und Beheizungsanlage, die wahlweise kalte oder warme Luft durch Schächte hinter den Wänden zirkulieren lässt. Theoretisch sollten die Kreisläufe der einzelnen Wohnungen voneinander isoliert sein, praktisch aber sorgt amerikanische Baumeisterschlamperei für einen Aromenaustausch über drei Stockwerke. Was also tun gegen die cannabinoide Immission? Ein höflicher Brief an die neuen Nachbarinnen, die zu Tageszeiten eher selten anzutreffen sind, war wirkungslos. Schlechten Gewissens trugen wir das Problem dem Vermieter vor; man will ja kein Denunziant sein. Er versprach, die jungen Damen entsprechend zu maßregeln. Das war am Sonntag. Am Montag, während des Verfassens dieser Zeilen, roch es von unten nach Vanilleduftkerzen. Diese jungen Leute von heute: Ich werde sie nie verstehen.

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2015)

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