Laufen mit Fremden

(c) Clemens Fabry
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Einsamkeit ist etwas Negatives – zumindest wird es in unserer Gesellschaft meist als solches verstanden.

Zu Recht, bin ich als gesellige Person geneigt zu sagen, aber es gibt auch für mich eine Ausnahme: das Laufen. Das mache ich am liebsten allein, in meinem eigenen Tempo, zur von mir gewählten Zeit, und so lang, wie ich will. Ich lasse die Gedanken beim Laufen eben lieber schweifen, als sie auszutauschen.

Doch die finstere Jahreszeit lässt sich mit meiner geliebten Laufeinsamkeit nur sehr schwer vereinbaren. Mein Respekt vor dunklen Straßen und Parks ist zu groß. Also doch Gesellschaft. Diese habe ich mir unlängst im Internet gesucht. Unter dem Schlagwort Lauftreff ließen sich in 0,45 Sekunden 664.000 Treffen finden. Auch ein hilfreicher (Achtung: Ironie!) Wikipedia-Eintrag war dabei. „Ein Lauftreff ist ein lockerer Zusammenschluss von Freizeitläufern. Es wird meist Langstreckenlauf ausgeübt“, wurde mir da erklärt, und weitere wichtige Charakteristika wurden geliefert: „Trotz des Freizeitcharakters nehmen die Teilnehmer vieler Lauftreffs an Laufwettbewerben teil.

Sie haben jedoch meist weder die Leistungsfähigkeit, noch die Ambitionen, Spitzenplatzierungen zu erreichen.“ Klingt boshaft, aber für winterliche Trainingseinheiten eigentlich ganz gut. Und davon, ob Wettkampfambitionen, also das Überholen, wie Wikipedia es behauptet, bei Lauftreffs tatsächlich als verpönt gelten, wollte ich mich dann lieber selbst überzeugen. Ich entschied mich für einen spätabendlichen Frauenlauftreff im Türkenschanzpark. Ohne Voranmeldung und genauer Vorstellung stand ich da, war aber nicht lange allein. Von rundherum kamen Frauen trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt pünktlichst angejoggt. In zwei kleinen Gruppen – einer langsamen und einer etwas schnelleren – zogen wir gemeinsam unsere Runden vorbei an im Mondschein glitzernden Teichen und einem duftenden Adventmarkt.

Sie merken: Mir hat es gefallen. Das mag auch daran liegen, dass viele der netten, aber mir fremden Läuferinnen einander kannten und lieber untereinander als mit mir tratschten. Ich war diesmal eben gemeinsam einsam.

E-Mails an: julia.neuhauser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2015)

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