Liebe Kellner, bitte seid nicht immer so fürsorglich!

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Warum taucht die Frage "Darf's noch was sein?" immer kurz vor der Pointe eines Witzes auf?

Waren Sie mit dem Service zufrieden? In der Regel nötigt die Höflichkeit zu einem Ja. Ähnlich, wie man auf die Frage „Wie geht's?“ grundsätzlich immer „gut“ sagt, auch wenn man gerade emotional am Zerfließen ist. Das Ja im Restaurant hat aber auch einen ganz praktischen Grund – denn ein Nein würde ein Defizit aufzeigen. Der Effekt wäre, dass sich der Kellner beim nächsten Mal noch mehr bemühen würde. Und genau das muss ja wirklich nicht sein. Ein bisschen weniger wäre manchmal schön. Dass etwa die Frage, ob alles in Ordnung ist, immer genau dann kommt, wenn der Mund gerade voll ist. „Mbapf!“ Oder lieber doch einfach nicken? Die spontane Fürsorge ist auch wunderbar dazu geeignet, einen spannenden Moment abzuwürgen. Wenn der Ober kurz vor der Pointe eines Witzes plötzlich dasteht und fragt, ob es noch etwas sein darf. Operation jokus interruptus erledigt, vielen Dank.

Gut, manchmal auch selbst schuld. Wer vor dem Bestellen seine Seele ausbreitet, muss damit rechnen, dass irgendwann jemand kommt. Aber einen Hund, der bereits im Fressnapf hängt, zieht man ja auch nicht just dann zum Spazieren an die Luft. Und während des Elfmeterschießens im EM-Finale beginnt man ja auch nicht mit dem Staubsaugen. Außer natürlich, dahinter verbirgt sich ein gezielter Angriff. Aber Leute, die glauben, dass Kellner durch ihre fürsorgliche Aufmerksamkeit (oder aufmerksame Fürsorglichkeit?) den Gästen die Unterhaltung vermiesen, damit sie schneller mit dem Essen fertig sind und Platz für die nächsten Gäste da ist, erkennen auch in Kondensstreifen von Flugzeugen eine strategisch geplante Wettermanipulation.

Abgesehen davon, bei manchen Dialogen sollte man sich sowieso vorher überlegen, ob ein Restaurant wirklich der geeignete Ort dafür ist. „Schatz, willst du mich heiraten?“ „Darf's noch was zu trinken sein?“

E-Mails an:erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2016)

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