Die Uber-Fahrer

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Es ging also um die Frage, ob Uber-Fahrer nicht doch Angestellte sind.

Vielleicht haben Sie mitbekommen, dass die Silicon-Valley-Firma Uber vergangene Woche in einem gerichtlichen Vergleich zwei Sammelklagen abgewendet hat. Dabei ging es um die Frage, ob die US-weit rund 450.000 Uber-Fahrer kraft der Realität ihres Arbeitsalltages nicht eher als Angestellte denn als freie Dienstnehmer des mit derzeit mehr als 62 Milliarden Dollar bewerteten US-Privatunternehmens zu behandeln sind. Uber hat somit Mehrkosten für Kranken- und Rentenversicherung sowie gesetzlichen Mindestlohn vorerst abgewendet. Über die Fahrer weiß man als Kunde wenig, abseits ihrer Bewertung auf einer Fünf-Sterne-Skala. Also habe ich in den vergangenen Wochen jedem Uber-Fahrer hier in Washington jene Frage gestellt, die letztlich alle Menschen verbindet: Haben Sie Kinder?

Bis auf einen bejahten alle diese Frage. Schnell kamen wir ins Gespräch, und es war stets erfreulich und lehrreich. Da wäre zum Beispiel Yassir, der aus dem Sudan stammt und vor Jahren für seinen Bruder dessen neues Auto aus München nach Moskau überstellt hat. „Wenn die Männer die Kinder kriegten, wären wir schon ausgestorben. Wir sind zu wehleidig“, sagte er. Ich konnte ihm nur zustimmen. Khurram wiederum war mehr als ein halbes Jahr von seiner Frau und seinem neugeborenen Sohn in Bangladesch getrennt, ehe sie zu ihm in die USA kommen konnten (er ist seit acht Jahren amerikanischer Staatsbürger). Und Antonio arbeitet Vollzeit für den örtlichen Stromversorger und kommt mit dem Zweitjob als Uber-Fahrer manchmal auf 100 Arbeitsstunden pro Woche. Das nimmt er in Kauf, um seine vier Kinder auf eine gute Privatschule schicken zu können; der älteste ist 19, so alt, wie Antonio bei dessen Geburt war. „Ich sage ihm: Du bist jetzt ein Mann, mach nicht die Fehler, die ich damals gemacht habe“, mahnt er ihn. Der junge Mann ist dank Papas Opferbereitschaft auf einem guten Weg, er will Meeresbiologe oder Tierarzt werden. In Karenz konnte keiner dieser freundlichen und bewundernswerten Männer gehen: Die USA sind das einzige OECD-Land, das so etwas nicht als Recht etabliert hat.

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2016)

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