Einmal Spargel mit Spargel, bitte

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ThemenbildAPA/dpa (Daniel Karmann)
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Wenn man die Fenster putzt, regnet es kurz danach. Also kann man es gleich sein lassen.

Für manche Dinge gibt es keinen richtigen Zeitpunkt. Wenn die unbarmherzig grelle Frühlingssonne in die Wohnung fällt, dann sieht man nicht beglückt die hellen Sonnenkringel auf dem Boden (der auch schon mal besser ausgesehen hat), sondern vor allem das, was zwischen drinnen und draußen das Bild verdüstert: die Fensterscheiben. Die sollten ganz dringend geputzt werden. Nun gibt es aber eine Regel, die immer stimmt: Wenn man die Fenster putzt, regnet es kurz danach. Also kann man es gleich sein lassen.

Wir Kinder des sauren Regens haben es außerdem unauslöschbar in uns gespeichert: Es kommt nicht nur Gutes von oben, wenn der Regen fällt. Auch wenn der Dreck, der an den Scheiben klebt, eher vom Autoverkehr stammt, als vom Himmel gefallen ist. Und ja, die Böden jubeln über den Niederschlag, und es atmet sich so gut wie nie, weil der Regen die Pollen aus der Luft gewaschen hat, aber muss er sie dann auf unseren Fensterscheiben hinterlassen, so wie die Katze die tote Maus vor der Tür?

Die Fenster bleiben also vorerst unverändert. Ein ähnliches Schicksal droht den Glitzerbäumchen, die versehentlich von der Weihnachtsdekoration übrig geblieben sind und sich mittlerweile so gut in der Wohnung eingelebt haben, dass man sie gleich bis Dezember stehen lassen kann. Wenn es Erdbeeren im Jänner gibt, warum dann nicht auch Christbaumschmuck im August? In der von Saisonen befreiten Welt herrscht doch Chancengleichheit, alles kann zu jeder Zeit überall gleichzeitig sein.

Bis auf den Spargel, der ist nur jetzt, und damit man dann den Rest des Jahres ohne ihn überlebt, muss man ihn so stark überdosieren, dass man sein Fehlen später sicher nicht bereut. Deswegen gibt es heute Spargel mit Spargel, und auf die Fenster trommelt der Regen.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2016)

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