Good evening, Europe!

(c) APA/AFP/JONATHAN NACKSTRAND
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Innenpolitisch war das eine recht aufregende Woche.

Kanzler weg, „Hallo, ich bins“-Kurzzeit-Chef und Konsorten suchen Kanzler, finden Kanzler, wer geht unter dem neuen Kanzler, wer kommt. Privat waren wir ähnlich monothematisch unterwegs, allerdings wegen des Song Contests.

Die Halbfinale haben wir nicht live, sondern tags darauf in der TVthek nachgeschaut. Das ist einerseits großartig, weil das Kind so kein Schlafdefizit anhäuft, andererseits mühsam, weil man jeden Song einzeln aufrufen muss. Wenn man nicht aufpasst, bekommt man zudem die Version für Gehörlose, bei der ein Mann in Gebärdensprache übersetzt und dabei einen Teil des Bildes verstellt. Mir gefiel das gar nicht schlecht, das Kind aber, das die Show full screen begutachten möchte, war nach Kurzem – politisch inkorrekt – vom Gebärdendolmetscher genervt: Ich solle diese Bärensprache wieder ausschalten, da sieht man ja gar nichts. Während der Halbfinale haben wir Plus (soll ins Finale) und Minus (nicht) vergeben: Während ich nur eine Handvoll Lieder weitergeschickt hätte, sind beim Kind fast alle weitergekommen. Ausschlaggebend dabei waren weniger die musikalischen Leistungen als vielmehr Kostüme und Bühnenshow. Die Rocker in Leder aus Montenegro (oder Albanien? Man vergisst ja fast jeden Beitrag sofort wieder!) haben gleich ein fettes Minus kassiert, während jene mit greller Show, noch grelleren Kostümen und penetranten Choreografien hoch im Kurs des Kindes standen. Alternativ punktet man bei kleinen Mädchen übrigens, wenn man eine stark geschminkte Frau in auffälligem Kleid vor eine Windmaschine stellt.

Heute darf das Kind das Finale live schauen und zwar so lange, wie es durchhält. Ich bin als Kind (und auch als Erwachsene) stets bei den endlosen Durchsagen der Votings eingeschlafen. Dem Kind wird es, vermute ich, nicht anders gehen. Womit wir am Sonntag wieder die TVthek anwerfen und den ganzen Wahnsinn nochmal anschauen. Good evening, Europe. Bonsoir, l'Europe. Und wenn ihr meinem Kind eine große Freude machen wollt: Lasst die Zoë gewinnen. Bitte danke.

E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2016)

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