Räuber und Gendarm

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Vorletzte Woche bin ich zum ersten Mal in meinem Leben bestohlen worden.

Und das ausgerechnet auf Heimaturlaub im Café Anzengruber. Während ich mich an der Bar nicht zwischen Bier und Sliwowitz entscheiden konnte (und folglich die Sowohl-als-auch-Strategie anwenden musste), zog mir ein Tunichtgut mein brandneues Geldbörsel aus der Manteltasche. Als ich um halb zwei den Diebstahl bemerkte, war der Dieb längst über alle Berge. Mein einziger Trost war die Tatsache, dass im Portemonnaie kein Geld drinnen war – dafür aber viel Plastik, beim Personalausweis angefangen über E-Card und Presseausweis bis hin zu Bankomat- und Kreditkarte.

Wie es der Zufall so wollte, stellte sich einer meiner Nachbarn am Tresen als Mitarbeiter ebendieser Kreditkartenfirma heraus. Er war für das Sperren gestohlener Karten verantwortlich, was meinen Schock etwas milderte und mir das Leben einfacher machte.

Den folgenden Tag verbrachte ich mit dem Blockieren der restlichen Karten, dem Beantragen neuer Karten sowie auf der Polizeiwache, wo ein sympathischer, wenn auch etwas abgekämpft wirkender Polizist meine Diebstahlsanzeige zu Protokoll brachte. Während er die Tastatur seines Dienstrechners bearbeitete, fragte ich ihn ein wenig über das Geschehen am Praterstern aus. Was er mir erzählte, darf ich aus Gründen der Verschwiegenheit nicht berichten, nur so viel: Es war aufschlussreich und wenig zuversichtlich – was allerdings mit der gewöhnlichen Déformation professionnelle zu tun haben könnte, an der wohl jeder Arbeitnehmer leidet. Wenn man es tagein, tagaus mit schwieriger Kundschaft zu tun hat, kann man zu Pessimismus neigen.

Ich wiederum habe wieder Grund dazu, an das Gute im Menschen zu glauben. Wenige Tage, nachdem ich Wien verließ und über Paris und Straßburg nach Brüssel zurückreiste, erreichte mich eine Nachricht vom Fundamt. Mein Dieb stellte sich als gute Seele heraus: Er deponierte alle meine Karten und Ausweise in einem Haustor ums Eck vom Margaretengürtel. Die zweite gute Seele brachte mein Hab und Gut zum Amt. Ich finde Wien großartig.

E-Mails an: michael.laczynski@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2016)

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