Ein Unfall für die Statistik

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Meine letzten Worte haben ungefähr so geklungen: „Ich hole mir fürs Zirkeltraining lieber noch beim Laufen einen Vorsprung und laufe schneller.

Laufen kann ich ja.“ Dann stürzte ich. Gerade als ich eine enge Kurve auf dem vom Sommerregen nassen Asphalt machen wollte, zog es mir innerhalb des Bruchteils einer Sekunde die Beine unter dem Körper weg. Ich prallte zuerst auf meine linke Hüfte und landete dann auf dem Gesicht.

Der Schmerz fuhr durch das Kiefer, und das Blut floss aus dem Kinn. Die herbeigeeilten Trainingskollegen und tapferen Ersthelfer stellten eine erste erleichternde Diagnose: „Deine Zähne sind noch alle da.“ Die Rettung riefen sie trotzdem. Auch die netten Sanitäter versuchten mich aufzubauen: „Die Narbe wird man, wenn Sie sich einen Bart wachsen lassen, nicht mehr sehen.“ Gut, dass ich derart trockenen Humor – selbst wenn er auf meine Kosten geht – verstehe. Das Lachen verging mir erst später auf der Unfallstation. Mit einem grünen Tuch über dem Kopf lauschte ich den Gesprächen der behandelnden Ärzte. „Ich bin F-A-M-U-L-A-N-T“, sagte die eine. „Sie sind V-O-M L-A-N-D“, fragte der andere. „Nein, ich mache Famulatur, ich bin Famulant.“ Damit war es amtlich: Meine Wunde nähte gerade eine Praktikantin. Die hatte dann auch allerhand Fragen: Wie weit der Bereich betäubt werden müsse, wo sie die Naht beginnen sollte und ob der misslungene Stich zu wiederholen sei, wollte sie, während sie mein Kinn zusammenflickte, von den anderen Ärzten wissen. Etwas beunruhigend fand ich das schon. Aber sie war bestimmt ein Naturtalent. Und an irgendjemandem müssen die angehenden Ärzte ja üben.

Dass ich mir meine erste Sportverletzung beim ganz normalen Laufen zuzog, will mir übrigens niemand so recht glauben. Dabei ist das statistisch gar nicht so außergewöhnlich. Von den fast 200.000 Sportunfällen, die laut Kuratorium für Verkehrssicherheit im vorletzten Jahr in Österreich gezählt wurden, passierten 7600 beim Laufen oder Nordic Walking. Aber zugegeben: Verletzungen am Kopf gab es dabei exakt NULL. Mein glimpflich ausgegangener Stolperer war also ein Unfall für die Statistik.

E-Mails an:julia.neuhauser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2016)

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