#lovemylife – auch nur ein flüchtiger Urlaubsmoment

(c) REUTERS (JON NAZCA)
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Wenn der Streit um die Klimaanlage den Büroalltag beherrscht und die Zahl der Gelsenstiche mit jedem im Freien verbrachten Abend exponentiell ansteigt, ist der Hochsommer in der Stadt angekommen.

In sozialen Medien lächeln den Daheimgebliebenen fröhliche Menschen an Poolbars unter spanischer Sonne entgegen, den Caipirinha in der einen, die sündteure Sonnencreme in der anderen Hand: Das Klischee will es so. Hashtags à la #lovemylife oder #summervibes sorgen dafür, dass die Bilder auch von einer möglichst großen Schar an Neidern wahrgenommen werden. Da drängt sich die Frage auf: Wird eine Begegnung, eine Reise, ein schöner Tag erst erlebenswert, wenn wir vielen Freunden davon erzählen – oder kann ein allein verbrachter Urlaub ohne Handy und Internetempfang dieselbe Zufriedenheit bringen?

Wer besondere Erfahrungen macht, will diese mit anderen teilen – das war schon immer so. Als es noch keine Digitalkameras gab – von Smartphones ganz zu schweigen –, schleppte man eben den analogen Fotoapparat samt mehreren Farbnegativfilmen und die fünf Kilo schwere Videokamera mit in den Urlaub: Giraffen, gefilmt aus nächster Nähe, bei der Fernreise in den Flitterwochen. Der erste Linksbogen des Fünfjährigen auf der Skipiste. Die Sandburg der jüngeren Schwester, mit Muscheln verziert, beim Strandurlaub wenige Monate später. Ein Sonnenuntergang in der Ägäis. All das wollen wir für die Ewigkeit festhalten, gestern wie heute. Für uns selbst, aber eben auch für Verwandte, Bekannte, Freunde. Allein die Geschwindigkeit der Erzählform hat sich verändert: Damals blieb mehr Zeit, den Moment zu genießen – konnte man doch nicht ständig nachsehen, wie viele „likes“ das letzte Foto schon erzielt hat, auf dem man immerhin mit einer Würgeschlange um den Hals posiert. Urlaubserlebnisse sind wertvolle, aber flüchtige Momente, die man mit Videos und Bildern nicht zurückholen kann. Sie existieren nur im eigenen Kopf. Und das ist gut so. Erholen Sie sich!

E-Mails an: anna.gabriel@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2016)

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