Das allerletzte Scharmützel des Erzherzogs Karl

Vormals Heldenplatz, derzeit Heldenloch.
Vormals Heldenplatz, derzeit Heldenloch.(c) Freitag
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Wie viel Platz braucht eine Stadt? Anders gefragt: Wozu braucht sie ihre Plätze?

Wozu diese elenden Freiflächen, womöglich in den allerbesten innerstädtischen Lagen, wenn man sie doch so wunderbar mit Nutzung füllen kann? Wozu ein Nichts, wo ein hingestelltes Etwas neben diesem Nutzen sogar Einnahmen verspricht?

Man muss kein unverbesserlicher Misanthrop sein, um angesichts der Eventisierung städtischer Räume Skepsis zu empfinden. Stadt ereignet sich seit je im Wechsel zwischen Verdichtung und freiem Raum. So wie der Wald die Lichtung braucht, um erst erkannt zu sein, so braucht die Stadt jenes Dazwischen, das die Häuser auseinanderschiebt, sonst könnte man die Stadt vor lauter Häusern nicht mehr sehen. Wer dieses Dazwischen mit Funktionen, Baulichkeiten, was immer füllt, der nimmt der Stadt den Atem.

Gewiss, Plätze sind es auch, die der Stadt und ihren Bürgern von alters her als Orte der Versammlung dienen – und ebenfalls von alters her fallweiser Fröhlichkeiten; doch nicht in einem so gut wie Rund-ums-Jahr-Betrieb (Rathausplatz!), auch nicht für Halb- und Vierteljahre, bloß für Stunden, vielleicht Tage. Dann hat der Platz wieder nichts mehr als er selbst zu sein: Platz eben im Dichtandicht der Stadt.

Dennoch, fast haben wir uns schon daran gewöhnt, auf Plätzen keinen Platz zu haben. Und dieser Tage ist ein neuer Platzverlust zu melden, der freilich keiner Vergnügung, vielmehr schierer Not geschuldet ist. Seit Wochen wird auf dem Heldenplatz Erde ausgehoben: Gilt es doch, unsere Gesetzgeber in jenen drei Jahren vor der Obdachlosigkeit zu bewahren, in denen ihre eigentliche Werkstatt, Theophil Hansens Parlament, vom Keller bis zum Dach saniert wird. Zwei massive Blöcke werden demnächst Erzherzog Karl samt Pferd bedrängen, und es wird nicht sein leichtestes Scharmützel sein. Wer obsiegen wird? Wer wüsste es zu sagen – in einer Stadt, in der sich nichts so haltbar zeigt wie ihre Provisorien . . .

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2016)

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