Das unbefriedigendste Geräusch der Welt

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Die Ketchupflasche, der Strohhalm und der Schuh, der wie ein kaputter Reifen umherschlapft.

Es sind die großen Probleme in der Welt, die einen irgendwann resigniert mit den Schultern den Hampelmann machen lassen. Aber es ist immer ausreichend Zorn vorhanden, um sich über kleine Dinge aufzuregen. Über die Zahnpastatube, die zwei Drittel ihres Inhalts dann preisgibt, wenn man über Wochen nur in mühseliger Kleinstarbeit noch die letzten Reste herausdrücken will. Über die Rechnung beim Bäcker, die 2,54 Euro ausmacht – und man genau 2,53 Euro in der Tasche hat, deswegen mit einem Zehner bezahlen muss und das Wechselgeld in Cent gestückelt bekommt („Ich hab's leider nur in Münzen . . .“). Oder über Geräusche. Den tropfenden Wasserhahn, das Scheren mit der Gabel über einen Porzellanteller oder die Rückkopplung des zu laut aufgedrehten Mikrofons beim Feuerwehrfest.

Es soll Menschen geben, die das Geräusch von Flipflops mögen, wenn sie beim Gehen monoton auf die Fußsohle klatschen. In den Ohren anderer ist es ein widerliches Schlapf, als würde ein platter Reifen bei jeder Umdrehung auf den Asphalt aufklatschen. Getoppt wird das vom Geräusch, das eine Ketchupflasche macht, sobald man sie zwei Mal verwendet hat. Ab dann nämlich kommt zu zwei Dritteln vor allem Luft aus der Flasche. Überholt die zähflüssig herabfließende Paradeisflüssigkeit und drückt dabei auf die Lufthupe. Luft ist auch die Hauptdarstellerin beim unbefriedigendsten Geräusch der Welt: Nehmen wir die Versuchsanordnung volles Glas mit Limonade, Strohhalm und einen Menschen, der die Flüssigkeit heraussaugt. Am Ende saugt man am letzten rettenden Strohhalm, um noch etwas Flüssigkeit nach oben zu ziehen, doch es ist nur noch Luft übrig. Und ein Geräusch à la „Brftftftft“. In diesem Moment bleibt dann nur mehr die Resignation. Lass es gut sein, es ist vorbei. Insofern ist das also doch eines der wirklich großen Probleme der Welt.

E-Mails an:erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2016)

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