Gute Wahl!

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Es passiert selten, dass Kellner eine Bestellung mit einem verschreckten "Sind Sie sicher?" quittieren.

Sehr gern bekommt man ein virtuelles Klopfen auf die Schulter, ein kleines Zeichen der Anerkennung. Kellner wissen das. Und so nicken sie zustimmend, zwinkern aufmunternd oder spielen mit ihrer Mimik ein anerkennendes Staunen, wenn man ihnen aus der Speisekarte vorliest. „Gute Wahl“, kommt dann gern. Natürlich ist die Wahl gut, mein Lieber, ist ja auch von mir. Nur bleibt da dieser Verdacht, dass er das bei jeder anderen Bestellung auch gesagt hätte. Zumindest passiert es selten, dass er mit großen Augen fragt: „Sind Sie sicher?“ Oder gar auf die Bestellung hin den Mund verzieht, mit den Augen rollt und ein flehentliches „Na, ned!“ stammelt. Hätte allerdings was – das verschwörerische Neigen des Körpers, die Hand an die Seite des Mundes gelegt und das Flüstern ins Ohr: „Bestellen Sie auf keinen Fall den Zwiebelrostbraten – den kann unser Koch nämlich so wirklich gar nicht.“ In diesem Fall böte sich eine Wahlwiederholung an – wobei Wiederholung impliziert, dass man es noch einmal genauso macht wie vorhin. Also sprechen wir lieber vom zweiten Versuch.

Dabei nutzen die Gäste ihre Wahloptionen ohnehin kaum mehr so, wie sie vorgesehen sind. Gibt es eigentlich noch Menschen, die einfach das bestellen, was auf der Karte steht? Ohne einen Zusatz, der meist mit den Worten „aber ohne“ eingeleitet wird. Ob man statt des Dings etwas anderes als Beilage haben kann? Oder ob das Tartar eh gut durchgebraten ist. . . In Lokalen mit elektronischen Bestellsystemen, bei denen der Kellner mit einem Stift die gewählten Speisen auf einem Display antippt, schlägt dann die Stunde des offenen Eingabefelds. Und gern wüsste man, ob dann nicht kleine Notizen mit in die Küche wandern. „Der Lästerbold auf Tisch drei hat wieder Extrawürste.“ In Momenten wie diesen blitzt dann auch manchmal hinter der freundlichen Fassade dieser Anflug von Ehrlichkeit aus der Mimik des Kellners hervor. „Von mir aus, es müssen ja eh nur Sie essen.“

E-Mails an:erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2016)

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