Adipöse Ameisen

Ameise
Ameise(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Bei uns zu Hause zum Beispiel sind neulich die Ameisen eingezogen, ohne Vorwarnung.

Dinge, die Eltern als Problem wahrnehmen, kommen bei Kindern oft ganz anders an. Gut nämlich. Mitunter sogar sehr gut. Bei uns zu Hause zum Beispiel sind neulich die Ameisen eingezogen, ohne Vorwarnung. Nach drei Jahren der sehr sehr friedlichen Koexistenz (wir drinnen, sie draußen auf dem Balkon) hat die Ameisentruppe beschlossen, ihren Wohn- und Arbeitsbereich auch nach drinnen zu verlagern. Über die Gründe kann man nur rätseln. (Weil wir nicht mehr auf dem Balkon essen und sie keine Speisereste mehr abstauben? Wurde ihnen zu kalt?) Der Einzug hat mich jedenfalls weniger, das Kind sehr glücklich gemacht: „Vier neue Haustiere!“ Ja: Anfangs waren sie nur zu viert und bekamen Namen (Sophie, Schöni, Ameisi und Eisi), dann wurde es ob der rauen Menge an Folgeameisen schnell unübersichtlich.

Bis sogar das Kind einräumen musste, dass die Gartenanlage, die es den Ameisen aus Lego gebaut hat, gar nicht für alle reicht. Wobei man sagen muss: So übertrieben begeistert waren die eh nicht von der Wiesen- (grüne Platte) und Wasserwelt (blaue), die das Kind mit Stoffblumen („Damit es so aussieht wie draußen“) und Tixo-Rolle („Jetzt haben sie ein Hamsterrad!“) dekoriert hat. Auch das Futter aus Plastilin haben die Ameisen dann irgendwie ein bisschen künstlich gefunden und sind lieber in Richtung Küche zum realen Essen abgebogen. Als ich mit dem Staubsauger auftauchte, stülpte das Kind panisch über möglichst viele dieser umtriebigen Insekten Gläser, um sie vor dem Einsaugen zu bewahren.

Mittlerweile sind die Ameisen wieder ausgezogen, das alte Hausmittel – Kaffeepulver ausstreuen – hat wunderbar geholfen. (Und der Staubsauger auch ein bisschen.) Ich war als Kind übrigens genauso ameisenbegeistert, versorgte die zeitweise in unserem Bad ansässige Kolonie gern mit Obst. Das hat die Mama damals nicht so lustig gefunden. Heute füttert sie selbst die Ameisen vor ihrer Tür. Mit Bananen, weil die so sättigend sind und ihr – ich schwöre, sie hat es so gesagt – die Ameisen irgendwie so dünn vorkommen.

Wenn Sie also irgendwo adipöse Ameisen sehen sollten: Genau daneben wohnt meine Mama.

E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.