Denn am Ende macht der Bagger alles wieder gut

(C) Wolfgang Freitag
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Dieses Kreischen, wenn sich die Baggerschaufel über die aufgerissenen Mauerflanken schiebt. Das Knirschen und Knacken, wenn wieder und wieder Armierungsstahl bricht.

Das Kratzen der Betonbrocken, wenn sie die Fassade entlang in die Tiefe stürzen, dann das dumpfe Stöhnen, wenn sie unten aufschlagen. Nein, es ist kein Vergnügen, zu verfolgen, wie dieser Tage das ehemalige Zollamt in der Landstraßer Schnirchgasse in Stücke gerissen wird, und es fehlte nicht viel, dass man Mitleid bekäme mit dem Siebzigerjahre-Trumm, das da vier Jahrzehnte lang als eines der hässlicheren Monumente hiesiger Bürokratie das Ufer des Donaukanals drangsalierte.

Andererseits: Hat es nicht etwas Beruhigendes, Vergänglichkeit so radikal am Werk zu sehen? Wie oft scheint uns doch manches allein schon kraft seiner schieren Masse von ewigem Bestand. Und zugegeben: Das Zollamt, mehr als 80 Meter lang, mehr als 70 Meter hoch, hätte leicht den Eindruck solcher ewigen Beständigkeit erwecken können. Da tut es wohl, miterleben zu dürfen, wie erstaunlich kurz solche gebauten Ewigkeiten sind, wenn passendes Abbruchgerät noch so unverwundbar scheinenden Kubaturen an den Stahlbetonleib rückt.

Bald soll ein Hochhausensemble namens Triiiple, drei Wohntürme, jeder mehr als 100 Meter hoch, samt allerlei Nebentürmerei, das Zollamtsgelände mit Leben füllen: Ein „neues Wahrzeichen für Wien“, ein „Meilenstein“, ein „wahres Meisterwerk“, stand dazu schon zu lesen. Kann sein, dass es wieder einmal nicht ganz so kommt, dass die gebaute Wirklichkeit nicht ganz so wahrgezeichnet, so meilensteinisch, so meisterwerklich wird, wie es uns heute PR-Prosa und hochglänzende Visualisierungen glauben machen wollen. Kein Grund zur Sorge. Wir dürfen uns ja damit trösten, was uns das Zollamt heute lehrt: Was immer Triiiple an Fragwürdigkeiten bringen mag, in 40, 50 Jahren machen Schremmhammer und Abrissbagger womöglich alles wieder gut.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2016)

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