Wollen wir ewig jung sein?

(c) APA (Herbert P. Oczeret)
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Für Nova Rock und Co. sind wir dann doch zu alt.

Da hing ich in dem dicken Ledersessel des US-amerikanischen Kaffeepappbecher-Lieferanten, der auch schon bessere Zeiten gesehen hatte, fummelte am iPod-Hörer herum, der zu klein für meine Ohrmuschel ist, gähnte ein wenig – ich war zu lange im Flex gewesen – und blätterte im „Fleisch“. Den Nebencouchtisch belagerten echte Jugendliche, die einander Geschichten aus den Ferien erzählten. Plötzlich fiel mir der aus der Mode gekommene Begriff „Berufsjugendlicher“ ein. Das war früher die Bezeichnung für Mittdreißiger und noch Ältere, die mittels Kleidung, Begleiterinnen, der Kenntnis neuester angesagter Bands sowie intensiven Club- und Fitnesscenter-besuchs gegen ihre Biouhr ankämpfen. Heute verwendet den Begriff kein Junger mehr, dachte ich, während ich versuchte, meinen Kopf auf das Starbucks-obligatorische Notebook zu betten.

Denn heute sind wir alle so. Die Pensionisten nehmen uns das Geld, wir den Nachkommenden Freizeitbeschäftigungen und Mode. Facebook wird immer mehr zur Midlife-Crisis-Reflexionsfläche, ganze Cliquen aus Schulzeiten finden sich nach 20 Jahren ohne Rücksicht auf Falten, Kinder und gescheiterte Karrieren zusammen ein. Von Frequency abwärts wird kein Festival den 20ern überlassen, sondern von kahlen und/oder ergrauten Altwilden besetzt. „Neon“ lesen überhaupt nur alte Jungeltern, die hoffen, dass ihre Töchter und Söhne einmal so spontan und witzig werden, wie die darin Abgebildeten – wenn sie es schon selbst nicht mehr schaffen. Modemäßig gibt es ohnehin keine Rücksicht auf Alter oder physikalische Gesetze mehr.

Ganz ehrlich, wollen wir uns nicht Bars und Lokale suchen, wo wir wieder die Jungen sind? Radio Stephansdom statt FM4 hören, irgendwas sammeln und mit Freunden ein Haus in der Toskana mieten? Nein.


rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2009)

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