Leute, die in jeder Station den Waggon wechseln

WIEN: WIENER U-BAHN-LINIE U4 F�HRT WIEDER AUF DER GESAMTEN STRECKE
WIEN: WIENER U-BAHN-LINIE U4 F�HRT WIEDER AUF DER GESAMTEN STRECKE(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Man muss nicht jedes Phänomen der Großstadt verstehen. Die Phänomene tun es oft selbst nicht.

Als gelernter Großstädter ist man ja einiges gewohnt. Dass in der U-Bahn gelegentlich Menschen verkehren, deren Verhalten, sagen wir, interessant ist, zum Beispiel. Und nein, jetzt folgt kein Lamento über die soziale Unintelligenz der Passagiere, die sich auf dem Bahnsteig direkt vor der Tür positionieren, damit ja niemand an ihnen vorbei aussteigen kann. Auch die Nach-dem-Aussteigen-Stehenbleiber-und-in-die-Luft-Schauer sollen nicht im Mittelpunkt stehen (wobei, im Mittelpunkt wären sie wenigstens vom Eingangsbereich weg . . .). Diesmal geht es um den Waggonhopper. Und wieder nein, das sind nicht diese russischen Freizeitakrobaten, die auf den Dächern fahrender Züge ihren Schabernack treiben. Sondern Menschen, die im Lauf der U-Bahn-Fahrt mehrmals den Waggon wechseln.

Bevor Sie zu rätseln beginnen: In der Regel haben Stationen zwei Ausgänge – einen vorn, einen hinten. Steigt man daheim hinten ein, muss aber am Ende vorn aussteigen, kann ein Weiterhanteln sinnvoll sein. (Wenn man gerade noch rechtzeitig hineinspringen konnte – sonst hätte man ja schon in der Heimstation die paar Schritte auf dem Bahnsteig machen können.) So jedenfalls entsteht das Phänomen des Hoppers, der jede Station einen Waggon weiter nach vorn geht. Was besonders interessant ist, wenn er dort einen Kollegen trifft, freundlich grüßt, Small Talk führt – und dann zur nächsten Etappe aussteigt. Am Ende steigt man aus und sieht den Kollegen in derselben Station drei Waggons weiter vorn aussteigen. Das ist Effizienz. Vielleicht hätte man ihm aber auch sagen können, dass er in einem V-Wagen gefahren ist. Sie wissen schon, das sind die Nachfolger der Silberpfeile, die auch schon seit 2002 in Wien unterwegs sind. In denen kann man übrigens von vorn bis hinten in einem durchgehen. Aber gut, als gelernter Großstädter ist man ja einiges gewohnt.

E-Mails an:erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2016)

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