Ein Koala in Algerien

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AUSTRALIA-ANIMAL-KOALAAPA/AFP/AUSTRALIA ZOO/BEN BEADEN
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Mit der Geografie hatte es das Kind bisher nicht so.

Das Kind hat zum Schulanfang einen Kinderatlas, den es „Weltenbuch“ nennt, bekommen, und das ist gut so, weil man muss sagen: Mit der Geografie hatte es das Kind bisher nicht so. Während es schon lesen kann und sich sehr fürs Rechnen interessiert, gehen die Versuche, ihm zu vermitteln, wo wir circa leben und vergleichbare Basisinformationen eher, wie meine Oma gesagt hätte, „bei einem Ohr rein, beim anderen raus“. Lange Zeit konnte das Kind zum Beispiel nicht glauben, dass wir uns hier in Wien nicht in Deutschland befinden, weil wir ja Deutsch sprechen. Und im Sommer wollte es nach Island, weil da – angeblich – eine Kindergartenfreundin auf Urlaub war und nach ihrer Rückkunft erzählt hat, dass es dort jeden Tag Spaghetti und Pizza gegessen hat und vor allem: wahnsinnig gutes Eis. Ob sie nicht vielleicht gar nicht in Island war, sondern eher in Italien, fragte ich das Kind sachte. „Italien, Island, jedenfalls irgendwas mit I“, sagte da das Kind.

Neulich hat das Kind aus seinem Atlas die Umrisse Afrikas abgepaust und die Illustrationen aus dem Atlas nachgemalt. Also ein wenig. Denn von den „Big Five“-Tierarten gefiel dem Kind der Büffel nicht, weshalb man auf seiner Afrika-Karte nun nur die „Big Four“ (Elefant, Nashorn, Leopard, Löwe) findet. Dekoriert hat es die Landkarte nicht nur mit Zeichnungen – etwa von den „Pyriamiden“, sondern auch mit den dem Atlas beigelegten Pickerln. Und da zeigt sich, dass sich das Kind halt nicht so streng an die Realität hält. Zwar konnte ich es davon überzeugen, dass der Pandabär wirklich gar nicht nach Nigeria gehört und auch nicht in den Kongo, aber das Pickerl vom Koalabären kam entgegen meinem Protest trotzdem („In meinem Afrika ist das so“) unter. Genauer gesagt lebt der Koala jetzt in Algerien und schaut dabei, wie das Kind einräumen musste, „ein bisschen überrascht“ drein. Weil dass Koalas „aus Tralien“ kommen (wie das Kind vor einigen Jahren gesagt hat), weiß es schon lang. Und auch, dass oben, wo es kalt ist, die Eisbären wohnen. Und unten, wo es kalt ist, die Pinguine. Und natürlich kann es auch schon die Himmelsrichtungen: Westen, Norden, Osten, Antarktis.

E-Mails an:mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2016)

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