Man wird ja wohl noch sagen dürfen, alles wird gut

A demonstrator wears a headpiece depicting the crown of the Statue of Liberty during a protest in San Francisco, California, U.S. following the election of Donald Trump as the president of the United States
A demonstrator wears a headpiece depicting the crown of the Statue of Liberty during a protest in San Francisco, California, U.S. following the election of Donald Trump as the president of the United States(c) REUTERS (STEPHEN LAM)
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Sie ist schon seit Längerem auf der Überholspur, die Sprache aus Selbsthilfebüchern, Marke „Lebe deinen Traum“.

Mit dem Wahlsieg von Donald Trump ist sie nun auch im politischen Diskurs gelandet, mit Rufzeichen. Vor allem ein Satz am Wahlabend war symptomatisch für eine Sprache, die Großes sagt und wenig meint. „Forgotten men and women of our country will be forgotten no longer“, sagte Trump. Er sagte auch: „We will all come together as never before.“

Pathos gehört im Gegensatz etwa zum deutschsprachigen Raum zum rhetorischen Pflichtprogramm gerade in den USA. An Stolz, Heimatbewusstsein, Glauben und Liebe kann uneingeschränkt appelliert werden, ohne an eine Peinlichkeitsgrenze zu stoßen, die wir Deutschsprachigen recht bald empfinden. Oder wollen wir Spitzenpolitiker, die uns sagen: „Wir alle sind eins?“

Neu ist, dass kurze Hauptsätze wie die zitierten nicht hin und wieder eingestreut werden, sondern das gesamte Sprachrepertoire darstellen. Jeder Satz ein Knaller, jedes Versprechen eines der Ewigkeit, immer und nie. So reden übrigens auch viele Jugendliche hier, wenn man im Vorbeigehen einmal etwas aufschnappt. Früher hätte man gesagt, dies sei RTL-Deutsch, aber jene, denen man den übermäßigen Konsum von schleißigen Sendungen nachgesagt hat, sind längst alt geworden, die Jüngeren haben das aus der großen poetischen Welt des Internets.

Hier tauchen immer öfter alte Weisheiten auf, die wahlweise „unbekannt“, John Lennon oder Oscar Wilde zugeschrieben werden, etwa „Everything will be okay in the end. If it's not okay, it's not the end.“ Meistens sind sie mit Schreibmaschine geschrieben, das erhöht offenbar den Eindruck. Es ist schön, an eine ausgleichende Gerechtigkeit zu glauben. Leider folgt nicht auf alles Schlechte etwas Gutes, und unter dem Strich steht niemals null. Aber, um es mit denen zu sagen, die jetzt gerade so heftig mit der Political Correctness hadern: Man wird das ja wohl noch sagen dürfen. Bitter ist nur, wenn man es auch noch glaubt.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2016)

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