Weil wir halt einzig gute Wiener Luft im Kopf haben

Winterwärme von Heizstrahlers Gnaden: Graben, Wien.
Winterwärme von Heizstrahlers Gnaden: Graben, Wien.(c) Wolfgang Freitag
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Es ist schon etwas Besonderes um die Wiener Luft.

Eine weltbekannte Hymne wie ihrem Berliner Gegenstück hat man ihr zwar nicht komponiert, doch immerhin füllt man sie mittlerweile sogar in Dosen und bietet sie zum Verkauf an (in der Stiftgasse 13 zu Wien Neubau), und dass Wien-Besuchern dort nicht nur touristisch parfümierte Luftbarkeiten wie „Original Wiener Kaffeehausluft“ zur Auswahl stehen, sondern auch nicht so gängige Luftgenüsse („Wiener Puffluft“, parlamentarisch „Heiße Luft“), kann schon als Beweis gewertet werden, wie breit das Interesse an hiesig Ätmosphärischem ist.

Im Übrigen wird ja hierorts auch einiges für die Güte des – nach allgemeiner Zählung – dritten Elements getan. Die zehn bis 15 Kilogramm Luft, die jeder Mensch täglich einatmet, die haben, bevor ihnen solches widerfährt, sicher die eine oder andere der 17 von der Stadt Wien eingerichteten Luftmessstellen passiert, sind gewogen und üblicherweise sauber genug befunden worden. Das freilich haben sie nicht zuletzt den hiesigen Winden zu verdanken, namentlich jenen aus Nordwest, die sich erfreulicherweise nicht damit begnügen, die Passanten in Wiens Donaucity zu verwehen, vielmehr dasselbe mit aerosolen Schadstoffen aller Art tun.

Wo so viel Gutes in der Luft liegt, da will man es rund ums Jahr genießen, selbstredend unter freiem Himmel. Und was wären wir für Wohlstandsstädter, wenn wir uns daran von Nebensächlichkeiten wie Temperaturschwankungen im Jahreslauf hindern ließen. Also haben wir uns längst darauf verständigt, nicht nur unsere eigenen vier Wände, sondern auch den offenen Stadtraum zu beheizen. Heizstrahler und Heizpilze machen in Schanigärten, vor Punschständen aus winterkalter Wiener Luft wohlig warme. Und falls da einer fragt, warum wir einerseits unsere Häuser der Energieeinsparung halber dezimeterdick in Wärmedämmung hüllen, wenn wir dann andererseits die eingesparte Energie und noch viel mehr als das quasi in den Äther blasen, liegt eine Antwort nah: vielleicht, weil wir halt einzig gute Wiener Luft im Kopf haben.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2016)

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