Reh, Fuchs, Hase und der Atem des Schöpferischen

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Stadtbild(c) Wolfgang Freitag
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Die Wege zur Kunst können ja ziemlich verschwiegen sein.

Nicht alles, was uns zeitlos gültig und bedeutend scheint, drängt sich in den lärmenden Zentren zusammen, geschweige denn, dass es dort geschaffen würde. Und genauso, wie ein Gutteil der Kunstproduktion peripheren Ursprungs ist, stellen wir mitunter mit Erstaunen fest, wo überall uns der Atem des Schöpferischen ereilt. Mich etwa kürzlich auf freiem Acker nächst Unterlaa.

Nicht, dass ich zufällig dorthin geraten wäre. Die Flur, die sich wenig markant „Unteres Feld“ nennt, trägt kaum etwas dazu bei, ihr Gast sein zu wollen, noch weniger ihre Lage, eingeklemmt zwischen Klederinger Straße und Wiens Außenring-S1. Das Objekt meiner Kunstbegierde selbst wiederum kündet von seiner Existenz durch kein einziges Hinweisschild. Auffällig bescheiden, bedenkt man, dass es sich immerhin um „das neue Wahrzeichen Wiens“ handeln soll – nach dem Willen seiner Bannerträger zumindest.

Die Rede ist vom „1. Kunstwindrad Mitteleuropas“, und zugegeben, als die Presseaussendung von seiner Einweihung, verantwortet von der IG Windkraft, mich vergangene Woche erreichte, weckte die Wortkopplung von Kunst und Windrad in mir gewisse Hoffnungen, vermag ich doch bis zum heutigen Tag den Anblick jener Rotorzyklopen einzig aus Nützlichkeitserwägungen hinzunehmen: So ratlos, wie sie auf ihrem einen Bein in unserer Landschaft stehen, scheinen sie ja selbst am liebsten weglaufen zu wollen – wenn sie nur könnten.

Der Kunstwindradbefund bei genauerem Besehen? Was soll ich sagen: Die Kunst ist da, doch die windrädliche Ratlosigkeit ist geblieben, und vielleicht reicht es ästhetisch halt nicht ganz, die alte Form in bunte Farben zu hüllen. Abgesehen davon, dass der figurale Schmuck, den da eine junge Grafikerin ersonnen hat, erst in einer Nähe kenntlich wird, in die hier vorzüglich Reh und Fuchs und Hase kommen. Besser als keine Öffentlichkeit, könnte man sagen. Und außerdem: Wünscht man nicht überall der Kunst ein neues Publikum . . .

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2016)

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