Wieso eigentlich eigentlich?

Sehen wir uns eigentlich noch einmal vor Weihnachten?

In der Adventzeit gibt es da diese Handvoll Fragen, meist mit dem Wort „eigentlich“ versehen, die einen enormen innerlichen Stress auslösen können. Sie kennen das bestimmt. Die erste Frage wäre: Sehen wir uns eigentlich noch einmal vor Weihnachten? (Ja, es müsste „einander“ heißen, ich weiß. Sagt aber keiner so.)

Wieso man dabei eigentlich das Wort „eigentlich“ braucht, ist ebenso ungeklärt wie das rational nicht erklärbare Bedürfnis vieler Menschen, sämtliche Bekannte vor dem Heiligen Abend noch einmal treffen zu wollen, so als wäre selbiges nach dem 24. 12. aufgrund einer zeitgleich mit dem Datum eintretenden Apokalypse nicht mehr möglich. Problem: Das geht sich alles niemals aus. Denn abgesehen vom eigenen Freundeskreis gilt es mittlerweile auch die Freunde des Kindes aus Kindergarten und Schule zu beachten und, wenn möglich, genau, noch einmal vor Weihnachten zu treffen.

Steht man dann mit Vertretern der „Sehen wir uns eigentlich?“-Fraktion frierend mit einem Punschhäferl herum, ist es meist eh sehr nett, wenn auch im Zuge dieser Zusammenkünfte weitere heikle Fragen auftauchen: „Schenken wir uns eigentlich etwas zu Weihnachten?“ etwa. Antwortet man leichtsinnig mit Ja, muss man, erstes Problem, sich auf die Suche nach einem originellen Geschenk machen und, zweites Problem, ein weiteres vorweihnachtliches Treffen zwecks Übergabe der Präsente vereinbaren. Häufig taucht dann noch eine weitere Frage auf, nämlich: Was machst du eigentlich zu Silvester? (Das „eigentlich“soll hier eine Beiläufigkeit ausdrücken à la „Mir ist es eh egal, aber ich checke mal ab, welche Optionen es so gibt.“). All jenen Eigentlich-Fragestellern sei gesagt: Ich weiß noch nicht, was ich zu Silvester mache. Und eigentlich und auch uneigentlich wäre ein Treffen nach statt vor Weihnachten viel netter: Der Stress ist vorbei, man kann sich in ein sinnvoll beheiztes Lokal setzen statt in der Kälte zu stehen, hat die amüsanteren oder dramatischeren Geschichten zu erzählen (von den Weihnachtsfeiern daheim nämlich) und in der Regel (Ferien!) auch mehr Zeit. Apropos Zeit: Haben Sie eigentlich schon alle Geschenke besorgt?

E-Mails an:mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2016)

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