Wie schön wäre Wien . . .

Privatinitiative: Begegnungszone Herrengasse.
Privatinitiative: Begegnungszone Herrengasse. (c) Wolfgang Freitag
  • Drucken

Kein Plädoyer für die autofreie Stadt. Oder doch eins? Zur So-gut-wie-Fußgängerzone Herrengasse.

„Wie schön wäre Wien ohne Wiener“, sang Georg Kreisler, etliche Jahrzehnte ist es her. Eine eher radikale Vision, die ich meinerseits schon deshalb nicht teilen kann, rechne ich mich doch selbst zum unvermeidbaren Inventar meiner Geburtsstadt. Was den treuesten Freund des Wieners freilich betrifft, tu ich mir etwas leichter, mir Wien ohne ihn vorzustellen. Und nein, ich meine nicht seinen Hund, ich meine sein Automobil.

Für mich zählt es zu den großen Wundern des Urbanen, dass Wien und mit Wien viele andere europäische Metropolen, allesamt in ihrer Konzeption vor mehr als hundert Jahren determiniert, unter der mittlerweile stattgehabten allgemeinen Automobilisierung nicht längst krachend zusammengebrochen sind. Gewiss, da und dort knackt es im Gebälk des Stadtgefüges, aber wirklich kollabiert ist es noch nirgendwo.

Die jede Voraussicht des Fin de Siècle weitaus überragende Vermehrung des Individualverkehrs hatte allerdings ihren Preis: Stadträume, die eigentlich großzügig und weiträumig angelegt waren, etwa die Ringstraße, nehmen sich, vollgeräumt mit Vehikeln aller Art, dem Erstickungstod nahe aus, und es ist die schiere Masse aus Metall und Plastik, die uns Raum und Atem raubt.

Umso erfreulicher, wenn sich Gegenteiliges entwickelt. So geschehen Anfang Dezember mitten in Wien: mit der Eröffnung einer So-gut-wie-Fußgängerzone in der Herrengasse. Da darf man seither – und wieder einmal – im Maßstab eins zu eins begutachten, wie wohl die Absenz des motorisierten Verkehrs, namentlich die des ruhenden, dem Urbanen tun kann. Mit dem für hiesige Verhältnisse bemerkenswerten Nebenaspekt, dass die Intervention – nicht zuletzt, was die Finanzierung betrifft – Sache der anliegenden Grundeigentümer und Geschäftsleute war und ist. Nein, hier wird nicht für die autofreie Stadt plädiert. Aber für eine genauere Unterscheidung, wo Individualverkehr sinnvoll und notwendig – und wo er für uns und für alle anderen überflüssig ist.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.