Der empathische Tee für jede Lebenslage

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Marktlücke: Tee für Teeverächter, der ihnen Mitleid zuspricht, dass sie Tee trinken müssen.

Ein Mensch, der Tee nur trinkt, wenn er krank ist, hat gerade im Winter immer wieder Aha-Erlebnisse. Dann nämlich, wenn er aus dem hintersten Fach der Kredenz die Kartons mit den Teebeuteln hervorholt – nein, keine handverlesenen Teeblätter aus dem Hochland von Sri Lanka, die sorgsam zerkleinert und getrocknet im Teesieb 36 Sekunden lang mit 83 Grad heißem Wasser aufgegossen werden. Shame on me, auf ein Outing als Waschlappen des Aufgussgetränks braucht man sich nichts einzubilden, aber es zu verheimlichen wäre auch unredlich. Wie auch immer, nachdem die Beutel mit Preisangabe in Schilling aussortiert worden sind, geht es an die Packungsbeilage der verbliebenen Sorten. Offenbar hat man in der freiwilligen Teeabstinenz verpasst, dass es nicht mehr nur schwarzen, grünen und Kräutertee gibt. Sondern dass die Tees mittlerweile nach Lebenslagen sortiert werden. Die weltgewandten Leser lächeln mild, wissen wir doch längst, das gibt es sogar schon länger als Running Sushi.

„Magenfreund“, „Fühl dich wohl“, „Halsfreund“. Versteht man. Aber dann, und jetzt stellen Sie sich bitte einen grippigen Nestler im Teekarton vor, kommt ein „Schutzengeltee“ daher. Ein weiterer namens „Hildegardharmonie“. Und dann ist da einer namens „Loslassen“. Passiert in diesem Moment auch gleich, und das Häferl war einmal. Erst das zerschlagene Porzellan zusammenkehren, dann auf die Suche machen, ob es eine empathische Kräutermischung „Wird schon wieder werden“ gibt. Offensichtlich nicht, aber auch forschere „Jetzt krieg dich wieder ein“-Doppelkammerbeutel tauchen keine auf. Wenn es jemanden gibt, der für die Benennung von Tee zuständig ist, dann hier eine Bitte: Ein Aufguss mit dem Namen „Ei, ei, ei, du Armer“ würde sich sicher gut verkaufen. Also zumindest einmal. Dann kommt er wieder in der Kredenz ganz nach hinten.

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2017)

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