Smartphone-Logik

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Symbolbild.(c) imago/Westend61
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Was hat die Mama immer geschimpft, wenn die Familie beisammen war, aber jedes ihrer Kinder sich mit dem Handy in eine andere Ecke verzogen hat.

Was hat die Mama immer geschimpft, wenn die Familie beisammen war, aber jedes ihrer Kinder sich mit dem Handy in eine andere Ecke verzogen hat, um die uns wenig zur Verfügung stehende Zeit im Leben im Internet zu verplempern. Die genervte und technologieresistente Mama hat sich dann neben uns gesetzt und so lang über irgendwelches Zeug geredet, bis wir kapituliert und das Handy weggelegt haben. Sprich: Filibuster. Zu Weihnachten hat die Mama ein Smartphone bekommen. Und ich muss sagen, mit so einer Wende der Ereignisse haben wir nicht gerechnet. Mitten im Gespräch, als wär' nichts los, holt die Mama jetzt einfach ihr Handy raus, schaut und wischt irgendwas, lacht eine Runde in den kleinen Bildschirm hinein und reagiert nicht mehr auf sonst so bewährte Zurufe wie „Mama!“ oder „Hallo?“. Als besonders folgenreich hat sich WhatsApp herausgestellt, denn die zahlreich vorhandenen und auf zwei Kontinente verstreuten Tanten haben eine eigene, sorgsam gepflegte Gruppe, in der mir völlig unbekannte Kommunikationsregeln herrschen. Das geht circa so:

Tante 1 schreibt „Guten Morgen“.

Tante 2: „Ich gehe jetzt zur Kontrolle.“

Tante 3: „Was habt ihr gegessen?“

Tante 4 schickt ein Video von einer lieben Omi, die frenetisch zu türkischer Musik tanzt.

Dann Tante 1: „Was für eine Kontrolle?“

Mama: „Ich habe noch kein Ticket, habt ihr schon ein Ticket?“

Tante 5: „Gott schütze euch alle.“

„Verstehst du überhaupt, worum es da geht?“, frage ich die Mama. Sie antwortet mir, kurz angebunden und dieser digitalen Gruppenlogik entsprechend: „Iss was.“

Interessant: Das Smartphone verfremdet einem die eigene Familie, aus der Mutter wird ein Kreuzworträtsel. So habe ich gerade rechtzeitig von einer vielversprechenden Strategie erfahren. Wenn die Familie (oder der Freundeskreis) essen geht, werden alle Smartphones in einem Korb gesammelt, der am Tischrand abgestellt wird. Wer zuerst zum Handy greift, bezahlt die gesamte Rechnung. Ein ausbaufähiges System.

E-Mails an: duygu.oezkan@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2017)

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