Brieffreundschaften

Füllfeder
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Das Kind schreibt mir manchmal Briefe, vom Kinder- ins Wohnzimmer. Sehr kurze Briefe, auf sehr kleinen Zetteln.

Manchmal sind sie rührend („Mama ist lieb“), manchmal weniger („Ich hab dich lieb auser du schimbfst“). Echte Brieffreundschaften gibt es ja kaum noch. Also solche, bei denen man als Kind auf buntem Katzenbriefpapier höchst relevante Dinge (Wie geht es dir? Mir geht es gut.) notierte, die dann losschickte und wartete, wartete, wartete. Die Antwort der Brieffreundin konnte eine, ja zwei Wochen dauern. (Heute wird man schon nervös, wenn einem jemand auf WhatsApp einmal ein halbe Stunde nicht antwortet.)

Das Ganze erwähne ich deshalb, weil ich neulich auf einem Online-Partnerportal war (zu Recherchezwecken, bitte), auf dem man sich auch Brieffreunde suchen kann. Erstaunlich, in der heutigen Zeit. Weniger erstaunlich ist, dass man sich den Brieffreund heutzutage nach genauen Kriterien auswählt. Also nicht nur nach Geschlecht, Alter, Land. Man gibt etwa vorab an, worüber man zu kommunizieren gedenkt. Ich könnte mir also zum Beispiel einen Brieffreund aus Klagenfurt suchen, mit dem ich ausschließlich über das Thema Marketing schreiben möchte. Ist doch großartig. Gelandet bin ich auf der Seite, weil mir eine Umfrage selbigen Online-Portals untergekommen ist. Dabei kam heraus, dass sich rund 40 % der Wiener Singleseine humorvolle Partnerin wünschen. 60 % ist es demnach egal, wenn sie daheim eine bierernste Frau sitzen haben. Noch bedenklicher ist, dass nur 14,7 % der Männer und 20 % der Frauen Wert auf Intelligenz bei der Partnerwahl legen.

Sollen derartige Umfragen Singles eigentlich Mut machen (Hurra! Man muss weder lustig noch gescheit sein, um einen Großteil der Singles anzusprechen!) oder sie in die Krise stürzen (Man muss weder lustig noch gescheit sein, um einen Großteil der Singles anzusprechen und doch bin ich allein!). Diese Frage würde ich gern mit meinem neuen Brieffreund aus Tallinn erörtern. Ob er der richtige Ansprechpartner ist, wird sich weisen. Wie ich seinem Profil entnehme, hat er eher andere Interessen: Pyjama Partys. Und Handelsmessen.

E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

(Print-Ausgabe, 21.01.2017)

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