Stöckelschuhsuche

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Denn wenn das Kind nicht mit hohem Fieber im Bett liegt, verbringt es, leicht angeschlagen, aber doch, diese Tage damit, sein ganzes Spielzeug im Wohnbereich zu verteilen.

Verzeihen Sie, wenn ich heute mit einer Binsenweisheit eröffne: Aber es ist schon erstaunlich, wie die Zeit verfliegt, oder? Jetzt hat das Kind gestern schon das erste Zeugnis bekommen, dabei war doch gefühlt gerade eben erst der erste Schultag.

Dann wieder gibt es Tage, die vergehen überhaupt nicht. Für Erwachsene wäre das, ich kann das aus aktuellem Anlass bestätigen, etwa so ein Tag Pflegeurlaub. Von „Urlaub“ ist das natürlich meilenweit entfernt. Von „Pflege“ allerdings auch. Denn wenn das Kind nicht mit hohem Fieber im Bett liegt, verbringt es, leicht angeschlagen, aber doch, diese Tage damit, sein ganzes Spielzeug im Wohnbereich zu verteilen. Das an sich wäre noch kein großes Problem, würde es nicht pausenlos etwas von dir brauchen („Suchst du mit mir den rosa Barbie-Stöckelschuh?“ oder noch schlimmer: „Kannst du da Batterien reintun?“). Falls du wider besseres Wissen gehofft hast, ein bisschen auf Homeoffice zu machen, kannst du dir das schnell wieder abschminken. Während du auf deinem Laptop nämlich versuchst, ein, zwei Mails zu beantworten, bastelt das Kind daneben einen „doppelten Computer“ aus Papier. Doppelt deshalb, weil er auf der einen Seite die Zahlen und auf der anderen die Buchstaben (allerdings nur 20, der Rest ist sich nicht ausgegangen, „aber die hinteren braucht man eh nicht“) aufgemalt hat. Vielleicht geht ja lesen, denkst du, und greifst zum Thriller dieses Autors, den du nächste Woche interviewst, verlierst allerdings schnell den Überblick, wer gerade wem den Schädel einschlägt, weil dir das Kind pausenlos seinen Computerbastelfortschritt oder seine akuten Probleme („Wo ist der rosa Stöckelschuh?“) mitteilt. Zusätzlich musst du das verkühlte Kind alle zwei Minuten darauf hinweisen, dass es nicht aufziehen, sondern sich schnäuzen möge. (Immerhin verkneifst du dir den alten Elternspruch, wonach „der Rotz sonst direkt ins Hirnkastl einigeht“.) Ermüdet klappst du das Buch zu und begibst dich auf die selbstredend völlig aussichtslose Suche nach einem klitzekleinen Plastikschuh.

Aber wenigstens schreiben sich an solchen Tagen die Kolumnen wie von selbst.

E-Mails an:mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2017)

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