Schönbrunn oder: Glänzen bis zum Jüngsten Gericht?

Pracht statt Grau in Grau: Schlosskapelle Schönbrunn
Pracht statt Grau in Grau: Schlosskapelle Schönbrunn(c) Wolfgang Freitag
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Frisch renoviert, weithin (noch) unbekannt: zur Zukunft der Schlosskapelle von Schönbrunn.

Das Nächstliegende ist uns ja, weltläufig, wie wir sind, oft weniger nah als das weit Entfernte. So soll es Wiener geben, die schon öfter in der Ägäis badeten als in der Alten Donau, öfter im Louvre weilten als im Kunsthistorischen Museum. Und regelmäßig widerfährt es mir, dass ich erst von ausländischen Gästen erfahre, was es hierorts neuerdings zu entdecken gibt. Das allzu Wohlbekannte ist uns halt oft befremdlich unbekannt.

Denken wir an Schloss Schönbrunn: Gewiss, in den Schlosspark kommt unsereiner bald einmal. Aber wann genau waren Sie zuletzt in den Chinesischen Kabinetten? Oder in der Großen Galerie? Was mich betrifft, könnte ich die Frage nur so mutmaßlich beantworten: irgendwann in der Volksschulzeit – ein rundes Halbjahrhundert ist es her. In einem besonderen Teil des kaiserlichen Quartiers allerdings war ich kürzlich erst zu Gast. Einem Teil, der mir damals wohl verschlossen blieb: in der Schlosskapelle nämlich, die bis dato nicht zum Besichtigungsprogramm gehörte. Der Grund? Wie soll man sagen – mangelnde Präsentabilität. Das Eingeweihten erinnerliche Grau in Grau von ehedem ist allerdings neuerdings sorgsam renovierter imperialer Pracht gewichen – vom Goldstuck bis zu den Verglasungen der Fenster.

Einer Pracht freilich, die jenseits von Gottesdiensten oder Hochzeiten auch künftig womöglich nur Auserwählte zu Gesicht bekommen könnten. Denn nichts sei, so ist zu erfahren, der neuen Ansehnlichkeit so schädlich, wie angesehen zu werden: Raumklimatische Schwankungen durch geöffnete Türen förderten den Verfall, von rußenden Kerzen ganz zu schweigen. Kurz: je weniger Besucher, desto längerer Erhalt. Vielleicht wäre es, so gesehen, ohnehin am besten, wir sperrten unsere Baudenkmäler auf immer zu: Dann glänzten sie wenigstens im Inneren, bunt und besucherfrei, gewiss bis zum Jüngsten Gericht – oder gar ein paar Tage mehr.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2017)

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