Erzählen Sie das auf keinen Fall jemandem weiter!

(c) Clemens Fabry
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Soll etwas schnell die Runde machen, erzählt man es unter dem Mantel der Verschwiegenheit.

Ganz im Vertrauen, weil ich weiß, dass ich mich da auf Sie verlassen kann: Ich habe herausgefunden, wie man etwas möglichst schnell weiterverbreiten kann. Erzählen Sie etwas, egal wie banal es ist, und hängen Sie am Ende ein „das muss aber unter uns bleiben“ an. Das ist der nach ISO-Norm zertifizierte Freibrief, diese Information weiterzugeben. Einzige Voraussetzung: Bei der Weitergabe muss diese Vertraulichkeitsklausel am Ende wieder angehängt werden. Feinspitze variieren dabei gelegentlich. „Erzähl das auf keinen Fall irgendjemandem weiter, aber“ erfüllt dieselbe Funktion. So wie auch „ich verrate dir jetzt ein Geheimnis, wenn du versprichst, dass du es niemandem weitererzählst“. Die Chance, dass alle von der geheimen Verschlusssache erfahren haben, ist ähnlich hoch, als hätte man sie Armin Wolf in der „Zeit im Bild 2“ verlesen lassen. Zu einer regelrechten Verschiebung im Raum-Zeit-Kontinuum kommt es, wenn sich der Kreis der Stille-Post-Spieler schließt. Wenn also jemand, der – natürlich unter dem Mantel der Verschwiegenheit – ein Geheimnis weitererzählt hat, dasselbe Geheimnis später von jemand anderem anvertraut bekommt. Aber sag es ja nicht weiter, ja!

Der Schweigsame, der sich tatsächlich an die Abmachung hält, kann dann beobachten, wie rund um ihn die Multiplikatoren die Botschaft hinter vorgehaltener Hand weiterflüstern. Und sich überlegen, ob sich die Standhaftigkeit noch auszahlt, wenn es ohnehin schon jeder weiß – und man auf Nachfrage weiter nur mit der Schulter zuckt. Obwohl, eigentlich könnte man ja ruhig auch mit einsteigen, es bleibt ja eh unter uns. Die Freude am klandestinen Spiel hat allerdings spätestens dann ein Ende, wenn der kleine Kreis der Eingeweihten irgendwann die gesamte Weltbevölkerung umfasst. Was dann passiert? Das ist ein Geheimnis. Aber wenn Sie versprechen, dass Sie es nicht weitererzählen, dann . . .

E-Mails an:erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2017)

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