Mein Samstag

Friedhof der Fitnessgeräte

Neulich haben wir einen Schrittzähler ausgeteilt bekommen, der einen zu mehr Bewegung animieren soll. Theoretisch. Praktisch fällt das kleine Ding, das wie ein Pager (wer die noch kennt . . .) am Hosenbund befestigt wird, in die Kategorie Klumpert, was das Kind natürlich nicht daran hinderte, in eine große Fitness-Schritte-zähl-Euphorie zu kippen. Leider pflegt der Schrittzähler beim Laufen, Springen und im Hopserlauf – den drei natürlichen Fortbewegungsarten von Kindern also, außer man hat es eilig, dann gehen sie automatisch im Zeitlupenmodus – immer wieder zu Boden zu fallen.

Außerdem haben der Schrittzähler und ich eine unterschiedliche Auffassung darüber, was einen menschlichen Schritt ausmacht. Das Gerät hat sich nämlich einer eher willkürlichen Zählweise verschrieben. Wenn wir etwa in der Früh von zu Hause losgehen, zeigt der Schrittzähler nach 30 Sekunden schon 502 Schritte an. Oder wie das Kind, das von oben, also verkehrt herum, auf das Display blickt, sagt: „Zweihundertfünf.“ Das Einschätzenlernen von Mengen (oder Schritten) wird durch dieses Gerät also eher nicht gefördert. „Du kannst nach wenigen Metern nicht schon 500 Schritte gemacht haben“, sage ich. „Aber es steht doch da“, beharrt das Kind in seinem unbeirrbaren Glauben an die Technik.

„Gut“, sage ich, „wir zählen die Schritte jetzt laut mit“, und als das Kind sieht, dass die Mutter vielleicht doch recht hat, weil wir erst bei 30 sind, als der Schrittzähler schon wieder dreistellig ist, ist ihm das trotzdem egal, Hauptsache, die Zahl steigt und wird irgendwann einmal, wie es das Kind formuliert, „voll“ (soll heißen: vierstellig). Da es um die Kondition des Geräts nicht zum Besten steht und es sich bisweilen unangekündigt in eine Siesta verabschiedet, aus der es mit der Ziffer 0 wieder aufwacht, hat das Kind seine vierstellige Schrittzahl immer noch nicht erreicht. Damit droht dem Schrittzähler dasselbe Schicksal wie meiner Yogamatte, den Minihanteln und dem Stepper: Sie wurden anfangs euphorisch und dann gar nicht mehr benutzt. Seither verstauben sie im Kasten, unserem Friedhof der Fitnessgeräte. Willkommen im Klub, Schrittzähler.

E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.