Mein Samstag

Pole-Position im 13A

Buslinie 13A
Buslinie 13A(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Das Kind hat zwei neue Abneigungen entwickelt: Es mag plötzlich kein Kartoffelpüree mehr. Und auch keine Fahrten mit der U-Bahn.

Während die Püreesache keine großen Probleme macht, ist das mit der U-Bahn schon mühsamer. So ganz lässt sie sich in Wien halt nicht vermeiden, aber ab und zu nehmen wir jetzt die Straßenbahn, was mich – da viel entspannter – auch immer mehr begeistert: Vielleicht, wer weiß, ein Zeichen des Älterwerdens. Früher bin ich in Wien nie mit der Straßenbahn (leider kann ich das platzsparende Synonym „Bim“ hier nicht verwenden, das gefällt dem Chefredakteur nämlich gar nicht) gefahren: Zu langsam, zu umständlich, und wo bleibt die überhaupt stehen?

Noch mehr begeistert das Kind derzeit aber das Busfahren. Am liebsten steht es vorn im 13A neben dem Fahrer oder sitzt auf dem Platz schräg dahinter in bester Pole-Position, von der aus es bei optimaler Sicht kommentieren kann, was der Busfahrer gerade macht. Die Kommentare zeichnen sich dadurch aus, dass sie lautstark formuliert und stets mit dem Wort „jetzt“ eingeleitet werden. Also etwa: „Jetzt hat er D gedrückt, Mama. Was heißt D?“. Oder „Jetzt steht da Rai-ner-gasse, das ist bestimmt die nächste Haltestelle.“ Oder auch ein durchaus kritisches: „Jetzt fährt er wieder so langsam.“

Die Busfahrer, die auf dem 13A eh viel gewöhnt sind, begegnen dieser kleinen Live-Kommentatorin immer gleich: mit stoischer Gelassenheit. Weder korrigieren sie die Spekulationen der ahnungslosen Mutter („Vielleicht steht D für Drive“), noch bitten sie das Kind, mit dem mühsamen Kommentieren aufzuhören (Danke dafür!). Das ist nicht selbstverständlich, stellen Sie sich vor, jemand würde in der Arbeit neben Ihnen stehen und jeden Ihrer Schritte laut beschreiben. Bei mir in der Redaktion wäre das zum Beispiel so: „Jetzt geht sie zum Drucker. Jetzt reißt sie die Lade vom Drucker auf. Jetzt ruft sie: ,Na, geh, wieso geht der Trottel schon wieder nicht?‘ Trottel sagt man nicht, Mama. Jetzt geht sie entnervt wieder vom Drucker weg. Jetzt klickt sie auf Speichern, und jetzt ist sie mit dem Artikel fertig.“

Genau.

E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2017)

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