Mein Dienstag

Küchenkommentar

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Die Arbeitskollegen, mit denen man die meiste Zeit des Tages teilt, sind so etwas wie Familie, und ab einem gewissen Zeitpunkt geht man auch so mit ihnen um.

Das offenbart die Gemeinschaftsküche. Dort kommt oft und unkontrollierbar das Türkische aus mir heraus, denn dann kommentiere ich ungefragt das Ess- und Trinkverhalten der Mitarbeitenden, und mein Urteil fällt hauptsächlich negativ aus, weil man das, was man irgendwo einmal gehört oder gelesen hat, ein bisschen auffettet mit zusammenfantasiertem Zeug. In der Praxis hört sich das dann so an: „Zwei Tage hintereinander kannst du nicht das Gleiche essen, das ist ungesund.“ „Iss das nicht, Mozzarella ist gentechnisch verändert.“ „Du solltest mehr Salat essen und das Dressing daheim selber machen und jeden Tag mitbringen, aber ohne Essig, den verträgst du nicht gut.“ „So viel Fleisch, das kann nicht gesund sein.“ „Du musst mehr Fleisch essen, du bist zu dünn.“ „Dieser Automatenkaffee nimmt dir die ganze Energie.“ Und (vielseitig einsetzbar): „Davon kriegst du sicher hundert Krankheiten.“

Man gibt also den ganzen Mittag lang sinnbefreite Weisheiten von sich und ist überrascht und schockiert, wenn sich der eine oder andere Familienkollege an die Befehle hält. („Für mich bitte keinen Mozzarella.“)
Die Mama hat das früher so gemacht. Wenn wir Kinder etwas gar nicht oder besonders viel davon essen sollten, hat sie rasch irgendwelche medizinischen Erkenntnisse erfunden und sie universalisiert, und zwar so überzeugend, dass ich immer noch glaube, zu viel Schlagobers führt zu Schlaganfällen vor dem 40. Lebensjahr. Die Tante sagt, mit einem Okraschotengericht pro Tag verlängert sich dein Leben automatisch.

Während man also versucht, die Balance zwischen Ernährungspyramide und Mama-Ernährungspyramide zu halten, spaziert Kollege M. in die Gemeinschaftsküche und macht sich asiatische 30-Cent-Instant-Nudeln. Erst im April 2016 abgelaufen, sei das bestimmt noch schmackhaft, sagt er. „Kannst du essen“, zeige ich mich gnädig. Weil: Das ist so künstlich, das kann gar nicht schlecht werden.

E-Mails an: duygu.oezkan@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2017)

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