Mein Freitag

Wie viele Schritte hat ein Tag

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Das Telefon kann Schritte zählen, wahrscheinlich heißt es deshalb Smartphone.

Wenn man diese Funktion entdeckt hat, lässt sie einen nicht mehr los. „Du bist da voll reingekippt“, sagt die Freundin, die nicht darüber diskutieren will, warum der gleiche Weg beim Hinweg 340 Schritte, am Rückweg aber 402 Schritte wert ist, und die es auch nicht erstaunlich findet, dass man an einem durchschnittlichen Tag mit alltäglichen Wegen (in die Schule, in die Arbeit, zum Supermarkt) fast acht Kilometer zurücklegt.

Dabei ist das faszinierend. Und es enthebt einen auch der inneren Verpflichtung, laufen zu gehen, immerhin hat man schon acht Kilometer in den Wadeln. 8,04 Kilometer, um genau zu sein, das sind übrigens 12.397 Schritte. Wie viele Schritte man in der Wohnung zurücklegt, um am Boden liegende Kleidungsstücke aufzuheben, lässt sich nur herausfinden, wenn das Telefon ständig mitgetragen wird. Die Antwort ist: viele. Das interessiert nur leider keinen, auch nicht die Zusatzinformation, dass im Sommer viel mehr auf dem Boden landet als im Winter, obwohl es doch viel weniger zum Ausziehen gibt.

Fakten und Zahlen sind wichtig, um die eigene Wahrnehmung zu stärken. Es ist zwar abends spürbar, dass man viel auf den Beinen war, aber erst diese Zahl (12.397!) gibt einem die Erlaubnis, wie ein Wal am Sofa zu stranden. Ähnlich wichtig ist die Bestätigung, dass es messbare Ursachen für Beschwerden gibt. So ist es für Pollenallergiker, die derzeit nicht wissen, ob sie zuerst niesen oder weinen sollen, äußerst befremdlich, wenn die Tagesbelastung auf der Pollen-Seite mit Zartorange, also „mittel bis niedrig“ angegeben ist. Dabei fühlt es sich an wie Dunkelrot, „extrem stark“. Das will man gefälligst auch bestätigt wissen.

Ob das etwas an den Beschwerden ändert? Ja, das tut es. Man niest zwar so oder so genauso viel, aber hat dann auch die Lizenz, maximal zu leiden.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2017)

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