Mein Freitag

Tippende Hamster und nächtliche Humorattacken

Es war spät, und ich brauchte ein paar Likes.“ Das wäre einmal eine ehrliche Erklärung für die vielen seltsamen Nachrichten, die ihren Weg in die diversen Foren und sozialen Medien finden.

Früher hätte man vielleicht gesagt: „Ich war jung und brauchte das Geld.“ Dann hätte jemand gelacht, und viel Fragwürdiges wäre mit ein bisschen Humor zurechtgerückt worden.

Von Humor ist derzeit aber nicht so viel zu spüren. Statt ihn zu haben, wird lieber theoretisch erklärt, was lustig ist und was nicht. Grundsätzlich ist man immer selbst humorvoll und der andere wehleidig und beleidigt. Wie lustig etwas ist, hängt stark von der applaudierenden Runde ab, ebenso von Uhrzeit und vom Geschlecht: Frauen dürfen sich über Frauen lustig machen und über Männer; Männer nur über Männer.

Bei direkten Nachrichten, die danebengehen (was man immer erst nach dem Senden, oft auch erst am nächsten Tag erkennt) gibt es mehrere Möglichkeiten, sich zu erklären. Die ehrlichste ist, dass man es so nicht gemeint habe, dass man schlecht gelaunt, müde, hungrig, womöglich sogar nicht ganz nüchtern gewesen sei und dass es einem leidtue. Dann gibt es noch das „Versehen“, das durch mit dem Handy spielende Haustiere oder russische Hacker verursacht wird. Und zuletzt, viel glaubwürdiger als tippende Hamster, gibt es noch die Autokorrektur, die aus scheinbar perfekten Zeilen Irrsinn machen kann.

Nicht zuletzt deshalb haben viele Vielschreiber die Funktion, die schon beim ersten Buchstaben erraten will, was man meint, ausgeschaltet. Die Korrektur habe ihn nie verstanden, klagt etwa ein Kollege, der nun zwar länger zum Nachrichtenverfassen braucht, aber meint, er habe die Kontrolle über sein Leben zurückgewonnen. Die Kinder, wie immer meilenweit voran, verfassen ganze Nonsenstexte mithilfe der Autokorrektur (man nimmt jeden Vorschlag bei jedem Buchstaben an) und zerkugeln sich. Daraus könnte eine neue Form der Kommunikation werden, die ist zumindest lustig.

E-Mails an: friederike.leibl-bürger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2017)

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