Längster Superlativ aller Zeiten

(c) AP (Diether Endlicher)
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Die Wendung „aller bisherigen Zeiten“ wäre wohl die seltsamste Untertreibung aller Zeiten.

Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Vielleicht liegt es daran, dass wir gern unseren Horizont ausschließlich auf die Vergangenheit, maximal noch auf die Gegenwart, beschränken. Klar, da haben wir schon Erfahrungswerte, über die wir nicht spekulieren müssen – und die sich schön in Rankings ausdrücken lassen. Mit einem kleinen Schönheitsfehler, der genau an der Ausblendung der Zukunft festgemacht werden kann und sich hinter zwei Worten verbirgt: „aller Zeiten“.

In schöner Regelmäßigkeit – meist dann, wenn James Cameron einen neuen Streifen herausbringt – wird etwa vom „teuersten Film aller Zeiten“ gesprochen. Alle paar Jahre wird ein neues Gebäude als „höchstes Bauwerk aller Zeiten“ eröffnet. Und alle Jahre wieder feiert ein junger Musiker das „erfolgreichste Debüt aller Zeiten“.

Genau da liegt auch schon das Problem, schließlich sollten „alle Zeiten“ ja auch die Zukunft beinhalten. Und mit der ständigen Neukreation zeitlich gebundener Superlative schließt man diese Ebene vollständig aus. Zugegeben, eine derart absolute Festlegung über alle Zeiten hinweg – Stichwort Prognose – lässt sich nur recht schwer umsetzen. Andererseits, die an sich korrekte Redewendung „aller bisherigen Zeiten“ ist nicht wirklich wahnsinnig sexy – und befriedigt nicht unser nach Absolutem strebendes Superlativdenken.

Vermutlich werden wir also damit leben müssen, dass alle Zeiten vielleicht doch nicht alle sind. Freuen wir uns also lieber über die kleinen sprachlichen Spitzfindigkeiten, die unser Streben nach Absolutheit ein bisschen durch den Kakao ziehen. So wie jene denkwürdige Schlagzeile, mit der die „Süddeutsche Zeitung“ einmal das Ableben des ältesten Menschen der Welt vermeldete: „Jetzt ist er schon wieder tot!“


erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2010)

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