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Zu viele Filmkritiken richten sich nicht an die Leser

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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So manch einer fragt sich vielleicht, warum die französische Komödie „Hereinspaziert!“ noch immer in den heimischen Kinos zu sehen ist.

Sie lief doch schon Mitte September an. Tja, solange sie gut besucht ist, wird sie auch nicht aus dem Programm genommen. Was bei europäischen Filmen äußerst selten vorkommt. „Monsieur Claude und seine Töchter“ war so ein Beispiel. Oder der schwedische Streifen „Wie im Himmel“, der in ganz Europa, vor allem aber in Österreich sensationell erfolgreich lief. Sie alle haben gemeinsam, von den Kritikern verrissen worden zu sein. Aber das war den Zuschauern offensichtlich egal.

Generell ist dieses Phänomen ziemlich oft zu beobachten – während viele Filme, vor allem Komödien, miserable Rezensionen bekommen, gehen sie beim Publikum durch die Decke. Woher kommt diese Diskrepanz? Möglicherweise hat das etwas mit dem Anspruch der Kritiker zu tun. Sie schätzen und fördern in erster Linie mutige, ungewöhnliche, schräge Filme, die auf Konventionen pfeifen. Keine seichten Geschichten, die hauptsächlich auf kurzweilige Unterhaltung setzen.

Damit ein Film aber die breite Masse erreicht, sollte er nicht allzu kompliziert (natürlich gibt es jede Menge Ausnahmen) und anspruchsvoll sein. Natürlich nicht, weil die breite Masse ein schlichtes Gemüt hat und einer komplexen Handlung nicht folgen kann, sondern weil der Anspruch zumeist ein anderer ist – die Mehrheit der Kinogänger will (üblicherweise) nicht zwei Stunden lang angestrengt und gefordert, sondern unterhalten und auf andere Gedanken gebracht werden. Das ist auch ihr gutes Recht – nicht viele Dinge sind kostbarer als unterhaltsame Ablenkung vom Alltag. Aber manche Kritiker verstehen das nicht, weswegen viele Rezensionen am Interesse des Publikums vorbei geschrieben werden und eher an Kollegen, Freunde und Leute aus der Filmbranche adressiert sind. Was ein Jammer ist, denn für Kritiken sollte dasselbe gelten wie für Filme: Sie werden für das Publikum gemacht, für sonst niemanden.

E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2017)

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