Neujahrsfortsatz schlägt zurück

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Die Zeit ist gekommen, da auch der letzte gute Vorsatz zu Grabe getragen wird.

Spätestens jetzt sind wir mitten drin in der Zeit, in der die Figur der Charakterschwäche allgegenwärtig an unseren Seiten wandelt. Ein Zeitraum, der für manche schon unmittelbar nach dem Jahreswechsel beginnt, sich bei vielen aber erst mit zwei, drei Wochen Verzögerung einstellt – ich spreche in diesem Zusammenhang von der Zeit des Neujahrsfortsatzes. Von diesem Phänomen spricht man dann, wenn der nur wenige Tage alte Neujahrsvorsatz unter wehleidigem Klagen zu Grabe getragen wird.

Jetzt ist es an sich schon unsinnig, sich an einem willkürlich gesetzten Datum einzureden, dass man über Nacht seine schlechten Eigenschaften über Bord werfen kann. Aber egal, gönnen wir den Menschen diese kleine Illusion zwischen Walzer, Sekt und Marzipanschwein. Nur soll die vorhersehbare Niederlage dann bitte halbwegs würdevoll hingenommen werden. „Ja, ich bin schwach!“ Diese Einsicht würde genügen, um den angetretenen Weg halbwegs stilvoll verlassen zu können. Doch was müssen wir hören? „Es schmeckt mir halt so gut“, geben die Diätnichtdurchhalter von sich. „Ich hab mir überhaupt kein Geld gespart“, sagen jene, die kurzfristig und mit zittrigen Fingern einen Bogen um den Zigarettenautomaten machten. Und vom Klassiker à la „Aber morgen gehe ich es wirklich an“ – egal in welchem Zusammenhang – möchten wir auch endlich verschont bleiben.

Ich habe mir übrigens vorgenommen, im heurigen Jahr etwas positivere Kolumnen zu schreiben und nicht so viel an kleinen Schwächen und Fehlern herumzumäkeln. Nur macht böse zu sein halt viel mehr Spaß. Und mein Vorsatz endet spätestens nach Fertigstellung dieser Zeilen. Aber nächsten Montag, da gehe ich es wirklich an. Versprochen!


erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2010)

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