Unsere Freude am Schnee: Schnee von gestern?

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Leise rieselt der Matsch? Warum der Traum in Weiß kein urbaner Albtraum sein muss.

Wem würde nicht warm ums Herz, wenn der Schnee adventlich leise rieselt? Das heißt, selbstredend nur, solang davon in beheizten Stuben ein vorweihnachtlich Lied gesungen wird. Die harsche meteorologische Realität im Freien dagegen, die ist etwas ganz anderes. Was sogar im alpinen Profiskisport längst nicht mehr als Voraussetzung der Berufsausübung, sondern meist als Verhinderung derselben wahrgenommen wird, Schneefall nämlich, gerät im Großstädtischen vollends zur peinigenden Belästigung, deren Folgen man sich raschestmöglich zu entledigen sucht.

Für Autofahrer ein Stauverursacher, für den öffentlichen Verkehr ein Betriebshindernis, für den Magistrat ein Kostentreiber und jedenfalls ein Umweltproblem, zieht doch das bescheidenste Bröserl Weiß unvermeidlich Splitstreuung und chemische Interventionen nach sich, ist Schnee, vor allem die Freude daran, im Urbanen längst Schnee von gestern: ein unerfreulich graubrauner Klumpen, wie wir ihm dieser Tage regelmäßig auf Straßen, Plätzen, Gehsteigen begegnen, der hoffentlich möglichst bald wenn schon nicht von städtischen Räumkräften, so wenigstens von gnädig einfallendem Föhn beseitigt wird.

Andererseits: Wie wär's denn, bei nächster Schneegelegenheit in dem strahlend weißen Tuch, das sich über die Stadt legt, nicht den Matsch und Dreck der nächsten Stunden, den Verkehrskollaps des nächsten Morgens, die Salzflecken auf den Schuhen und das Minus im Amtsbudget der nächsten Wochen zu sehen? Betrachten wir die Welt doch ausnahmsweise einmal nicht aus dem Wissen heraus, was schlimmstenfalls passieren kann oder vielleicht tatsächlich mit großer Wahrscheinlichkeit passieren wird. Genießen wir den Schneemoment! Sich über das Danach zu grämen, bleibt uns später noch immer Zeit genug.

E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2018)

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