Kaffee kochen für die Tea Party

(c) Dapd (Fabian Bimmer)
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Kaffeehäuser sind furchtbar, meinte der Kollege.

Sie sind grindig, es zieht immer fürchterlich, und den Tee kann man dort sowieso nicht trinken. Spätestens beim letzten Punkt muss man einhaken – denn ins Kaffeehaus zu gehen, um dort Tee zu trinken, ist schon ein wenig, sagen wir, verhaltensoriginell. Man verlangt ja schließlich auch bei einer japanischen Teezeremonie nicht so einfach nach einer Espressomaschine. Genauso wenig muss man im Eissalon partout eine heiße Schokolade bestellen oder im Schnitzelhaus nach einer Salatplatte fragen. Vermutlich hat es einen Sinn, dass gastronomische Einheiten genau jene Speisen oder jene Getränke prominent anpreisen, für die sie da sind. Dass es noch keine reine Kakaoeria (welch schöner Neologismus!) gibt, ist in diesem Zusammenhang übrigens ein klares Versäumnis der beherbergend-kulinarischen Industrie.

Aber zurück zur Teevorliebe des Kollegen. Möglicherweise reagiere ich deswegen so verschnupft auf all die Connaisseure, die ihre getrockneten Blätter, Kräuter und Gewürze wie Alchimisten zu einem dampfenden Sud aufgießen, weil Tee für mich ein absolutes Krankheitsgetränk ist. Meine einzigen Assoziationen beim Anblick eines Teebeutels sind Halsschmerzen, Fieber und Bettruhe. Und Genuss spielt in diesen Momenten eine eher untergeordnete Rolle. Dass aus dieser schon in der Kindheit gelernten Assoziationskette kulinarisches Banausentum erwächst, hat eine gewisse Logik. Und die lässt sich auch im Erwachsenenalter nicht so mir nichts, dir nichts umpolen.

Aus dieser Logik heraus wirken leidenschaftliche Teetrinker für mich immer ein wenig wichtigtuerisch. Und die Gleichung, dass das Aufgießen von heißem Wasser ausgeglichenere Menschen hervorbringt, kann demnach auch nicht funktionieren. Von höherer geistiger Schaffenskraft sowieso keine Rede. Oder haben Sie als Lateiner schon mal gehört: „In tea veritas?“

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2012)

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