Schluhupf uhunter die Deck, wahach vielleicht wieder auf

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Symbolbild(c) Clemens Fabry
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Einschlafen ist nicht immer leicht.

Einschlafen ist nicht immer leicht. Als Erwachsener, weil Gedanken an Arbeit, Miete und Wirtschaftskrise Morpheus beharrlich den Einzug in den müden Kopf verwehren. Und als Kind, weil Monster, Geister und Dämonen unter dem Bett nur auf einen Moment der Schwäche warten. Noch dazu wird dem kindlichen Gemüt vor dem Einschlafen oft eine gehörige Portion Angst und Unsicherheit injiziert – denn was vordergründig ein süßliches Schlaflied sein soll, verbirgt hinter einlullenden Zärtlichkeiten unzählige Bosheiten. Wie viele Kinder fühlten sich schon in Dornenhecken gefangen, weil sie „mit Rosen bedacht“ wurden? Oder gar an den Bettkopf genagelt, nachdem sie „mit Näglein bedeckt“ einschlafen sollten. Allzu verständlich, dass man ob solcher bösartiger Attacken ängstlich „uhunter die Deck schluhupft“. Guten Abend, gute Nacht, willkommen im Albtraum!

Und nein, man kann einschlafenden Kindern keine etymologischen Spitzfindigkeiten zumuten, etwa dass mit den Näglein im alten deutschen Volkslied Gewürznelken gemeint waren. (Andere Quellen erkennen darin übrigens „Braunnägelein“, was eine alte Bezeichnung für Flieder ist.) Die Assoziation mit einem ans Kreuz genagelten Jesus ist für das in den Schlaf gesungen werden sollende Kind jedenfalls um einiges naheliegender. Noch dazu, wenn im selben Lied auch die Möglichkeit in Betracht gezogen wird, dass man seine Augen zum letzten Mal schließen könnte – schließlich weiß man ja nicht so genau, ob Gott wirklich will, dass man morgen Früh wieder geweckt wird. Dass man Kindern das Einschlafen aber nicht nur im deutschsprachigen Raum ein wenig vergällen möchte, zeigt ein englisches Abendgebet aus dem 18.Jahrhundert. „If I shall die before I wake, I pray the Lord my soul to take.“ Na gut, dann komm halt herein, Sandmann! Und falls du ein Geräusch hören solltest – keine Angst, das ist nur das Monster unter meinem Bett!

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2012)

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