Walking in a Winter Wonderland

Vielleicht treiben Sie gerade auf einer Luftmatratze über die Alte Donau, vielleicht sitzen Sie mit einem Glas eiskalter Limonade auf dem Balkon oder packen gerade den Korb für ein Picknick im Augarten.

Vielleicht treiben Sie gerade auf einer Luftmatratze über die Alte Donau, vielleicht sitzen Sie mit einem Glas eiskalter Limonade auf dem Balkon oder packen gerade den Korb für ein Picknick im Augarten. Es sind Momente, in denen man sich wohlfühlt, Momente des Genusses, die man am liebsten bis in die Ewigkeit ausdehnen würde. Doch es ist eine trügerische Ruhe, es ist die Ruhe vor dem Sturm. Denn schon am Donnerstag steht die Sonne genau über dem Wendekreis. Soll heißen, ab dann werden die Tage wieder kürzer. Für unzählige Menschen ist das das Zeichen, um in die Mid-Year-Crisis zu verfallen. Denn plötzlich ist absehbar, dass vielleicht gar nicht mehr so viele Tage kommen werden, an denen man abends nur mit T-Shirt im Freien sitzen kann. (Es gibt ja Menschen, die behaupten, dass es in Ostösterreich im ganzen Jahr nur maximal zehn solcher Tage gibt, aber das nur nebenbei.) Natürlich, der eine oder andere Badetag wird sich schon noch ausgehen, ein paar schöne Momente werden schon noch drinsein. Doch im Grunde ist man sich bewusst, dass es bergab geht. Dass der Herbst kommt. Schon bald werden die Heurigen wieder Sturm ausschenken. Es wird auch nicht mehr lange dauern, bis die ersten Maronibrater ihre Holzhütten und Öfen wieder aus dem Lager holen. Und ehe man sichs versieht, strecken den unbedarften Einkäufern im Supermarkt schon Lebkuchen und Weihnachtskekse ihre winterliche Fratze entgegen.

Ein lächerlicher Gedanke? Mitnichten! Aber wiegen Sie sich ruhig weiter in Sicherheit, treiben Sie nur weiter auf Ihrer Luftmatratze, trinken Sie einen Schluck eiskalter Limonade oder packen Sie Ihren Picknickkorb. Aber wenn die Blätter zu Boden fallen, ein Schneesturm über die Stadt hinwegfegt und Sie bibbernd vor Kälte „Walking in a Winter Wonderland“ vor sich hinflüstern, dann sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt!

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2012)

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