Der Duft der Raunächte

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In den Nächten um den Jahreswechsel werden Rosmarin, Thujen oder Misteln geräuchert, um sich selbst und seinen Lebensraum zu reinigen.

Um den Jahreswechsel liegt der Duft von Weihrauch, Wacholder, Rosmarin oder Thujen und Misteln in der Luft. Das Räuchern wurde seit jeher zu bestimmten Zeitpunkten im Jahr zu Reinigungs- oder Heilzwecken genutzt, wobei den dazu verwendeten Pflanzen jeweils spezifische Wirkung zugeschrieben wird. Auch in Niederösterreich wird diese Tradition mancherorts noch gelebt bzw. wiederbelebt.

"Nach alter Tradition wird in den 'Rauchnächten' geräuchert, um das alte Jahr loszulassen und so zu reinigen - sich selbst, das Haus, die Tiere, den Stall - und gereinigt ins neue Jahr zu kommen", erläuterte die Ergo-, Gestalt- und Phytotherapeutin Hilla Hatzfeld, die eine "Heilpflanzenschule" im Bezirk Melk ("Bella Donna" in Hofamt Priel) leitet. "Es war und ist auch eine wichtige Zeit für Orakel. Zwölf 'Rauchnächte' gibt es, wobei laut Tradition sechs zum Loslassen und sechs zum Orakeln für das neue Jahr genutzt wurden. Dazu wurden dann jeweils auch andere Kräuter genutzt." Auch im weitverbreiteten Silvesterbrauchtum wird der Glaube, dass die Raunächte die ideale Zeit für das Befragen von Orakeln sind, in Form des Bleigießens bis heute weiter gepflegt.

Jeder Nacht sein eigenes Kraut

Während, aber auch außerhalb der Raunächte räuchert die Krankenschwester Karin Svoboda, die sich als Schamanin in Hausmening (Bezirk Amstetten) ebenfalls intensiv mit diesem Thema beschäftigt: "Jede Raunacht steht für ein bestimmtes Thema, zu dem man mit dem jeweiligen Kraut räuchert." So stehe etwa die erste Raunacht von 24. auf 25. Dezember für die Basis, "die eigene irdischen Wurzeln zu betrachten", wofür als Räucherwerk die Eibe oder auch die Thuje verwendet wird. "Zur sechsten Raunacht von 29. auf 30. Dezember mit dem Thema Bereinigung passt die Angelikawurzel gut, aber auch Holunder und Eibe."

Die "dunkle Jahreszeit" gelte grundsätzlich als "Haupt-Räucherzeit", da sie der Innenschau, der Mediation und dem Rückzug dient, betonte Hatzfeld, die auch das im Via-Nova Verlag erschienene Buch "Heilpflanzen als Weg-Begleiter" geschrieben hat. "Für eine gute Räucherung ist es immer wichtig, einen schönen Rahmen zu schaffen und nur mit Menschen zu räuchern, die das auch wollen."

Räuchern und runterkommen

Die Raunächte bis zum 6. Jänner, deren Zahl regional schwankt, seien eine Zeit, die traditionell für Geisteraustreibung oder -beschwörung, den Kontakt mit Tieren oder wahrsagerische Praktiken geeignet sein soll. Als Räucherwerk wirkt laut Swoboda Weihrauch u.a. desinfizierend und stimmungsaufhellend, Wacholder ebenso reinigend wie Holunder, Rosmarin stärke die Konzentration. Die Thuje, auch Lebensbaum genannt, diene der Innenschau, die Mistel stehe für Schutz, Liebe, Reinigung, Segen sowie Verbindung mit Erde und Kosmos. Die Weide biete ebenfalls Schutz und führe zur Eigenverantwortung, die Eibe unterstütze uns, "tief wurzeln zu können".

"Mir ist es wichtig, allem in Achtsamkeit zu begegnen, egal welches Wesen es ist, ob irdisch wie Mensch, Tier, Steine, Pflanzen, Bäume oder auf geistiger Ebene", erklärte die Krankenschwester, die persönlich fünf Tage in der Woche räuchert - "zur Reinigung, zur Entspannung, fürs 'Runterkommen' nach meiner Arbeit im Klinikum." Sie verwendet dazu Räucherstövchen mit Räuchersieb und einem fünf bis acht Zentimeter entfernten Teelicht.

In früheren Zeiten wurde laut Hatzfeld das Räucherwerk als "Nahrung der Götter" verstanden: "Die Seele, das Wesen der Pflanzen, so stellte man sich vor, wurde durch den Einsatz des Feuers aus der ursprünglichen Form befreit und stieg hoch in den Himmel oder die Anderswelt auf und konnte dort die Götter nähren und tränken." Dazu hieß es etwa im Gilgamesch-Epos: "Da, wo die Menschen räuchern, schwärmen die Götter wie Fliegen herbei."

(APA)

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