Vorfreude mit Kindern

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Für Familien sind die Wochen vor Weihnachten eine besondere Zeit im Jahr: besonders schön. Und besonders anstrengend.

Jetzt ist also Vorweihnachtszeit. In keiner anderen Phase im Jahr unterscheidet sich das subjektive Zeitempfinden von Erwachsenen und Kindern so sehr wie in den Wochen vor dem Heiligen Abend.

Für die Kinder vergeht die Zeit endlos langsam: Der Brief ans Christkind ist längst geschrieben, redigiert, neu geschrieben, aber: Wie viele Tage noch, bis das Christkind wirklich kommt? Noch 26? Sechs-und-zwanzig? So lang? Kommt wenigstens der Nikolaus bald? Und wann darf ich endlich die erste Tür beim Adventkalender aufmachen?

Für Erwachsene wiederum rast die Zeit nur so dahin. Es ist kein endloses Warten auf Weihnachten, vielmehr scheint jemand auf den „Fast Forward“-Knopf gedrückt zu haben. Wird man alles, was man erledigen, erleben, schaffen will, wohl noch unterbringen bis zum 24.? Jeden Tag postet irgendjemand verlässlich auf Facebook den aktuellen Stand der Dinge, bis das Christkind kommt: „In 26 Tagen ist Weihnachten!“ Sechsundzwanzig! Nur noch sechsundzwanzig!

Ausverkauft, ausgebucht

Da man sich noch gut erinnert, wie wichtig und wunderbar die Adventzeit für einen selbst als Kind war, will man seinem Kind natürlich auch alles an vorweihnachtlichen Freuden bieten, was es so zu bieten gibt. Und das ist ziemlich viel: Ein großer Teil des Programms muss, wenn man berufstätig ist, weitgehend auf das Wochenende gelegt werden. Wann starten wir den Backmarathon („Die S. hat schon Kekse gebacken, warum wir nicht?“), wann besuchen wir den einen Adventmarkt mit dem Heu, wann den anderen mit dem Karussell? Und wollen wir nicht wieder zu dieser Weihnachtswerkstatt, wo die Kinder Engel basteln können? (Oder war es Kerzen ziehen?) Sollen wir noch zu irgendeinem Nikolaus-Event oder reicht es, dass er schon in den Kindergarten kommt?

Dann kommt noch die Weihnachtsfeier im Kindergarten, das Adventkonzert, bei dem die Freundin mitsingt. Aus dem Kindertheater wird wohl auch heuer wieder nichts: ausverkauft. Die anderen Eltern, die begabter sind beim Organisieren und Vorausplanen, haben wahrscheinlich schon vor Wochen zugeschlagen.

Denn ohne Terminplaner geht es fast gar nicht mehr. Der Kunstgriff – und Respekt an alle, denen das scheinbar spielend gelingt – besteht darin, die Adventzeit für den Nachwuchs möglichst stressfrei, entspannt und, ja, besinnlich zu gestalten, ihm ein schönes Vorfreude-Potpourri zu bieten, ihn aber nicht zu überfordern. Und vor allem: sich den Erwachsenen-Weihnachtsstress, der sich im Hinterkopf auftürmt, nicht anmerken zu lassen.

Denn abgesehen von den Dingen, die man mit den Kindern erleben möchte, muss man sich auch noch irgendwie Zeit freischaufeln, um heimlich die Geschenke, den Adventkranz und 24 Dinge zu besorgen, die nicht zu teuer, aber auch kein kompletter Schwachsinn sind und in diese absurd kleinen Schachteln des Adventkalenders passen. Das Weihnachtsessen planen (wie immer? Oder doch einmal etwas Neues?) und auch die Feiertage koordinieren: Wann besuchen wir wen?

Wobei der Adventkalender eine gewisse Entlastung bietet: Ein erstes Etappenziel auf dem Weg zum großen Weihnachtsfest ist geschafft, wenn die Kinder übermorgen endlich die erste Tür öffnen dürfen. Und dann nur noch sechsmal schlafen bis zum Nikolaus. Heute, am ersten Adventsonntag, biegen wir im Weihnachtscountdown langsam in Richtung Zielgerade: Die erste Kerze wird angezündet. „Endlich“, sagt das Kind. „Schon?“, die Erwachsenen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2015)

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