Vicky Leandros: „Wir haben ein Recht auf Unterhaltung“

Festlich. Vicky Leandros‘ Weihnachtstournee führt sie auch nach Wien.
Festlich. Vicky Leandros‘ Weihnachtstournee führt sie auch nach Wien.(c) Stephan Pick
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Sängerin Vicky Leandros über Freiheit, ihre Weihnachtsgans und die berechtigte Sehnsucht nach einer heilen Welt.

Bereits 1965 hatte Vicky Leandros ihren ersten Hit in Deutschland. Da war sie erst 13 Jahre alt. Im Vorjahr feierte die deutsch-griechische Sängerin ihr unglaubliches 50-jähriges Bühnenjubiläum. Zu ihrem Erfolgs­rezept zählt die immer noch sehr gute Stimme und ein unnachahmlicher Mix aus Folklore und Pop, Schlager und Chanson. Das „Schaufenster“ traf die legendäre Sängerin in einem Wiener Hotel.

Ich nehme an, es werden nicht nur Weihnachtslieder sein, die Sie in der Votivkirche singen werden. Was erwartet Ihre Fans?
Zunächst singe ich weltliche Lieder, die Texte haben, die in die Weihnachtszeit hineinpassen. Alles Titel, die ich in der Vergangenheit schon aufgenommen habe, etwa George Harrisons „My Sweet Lord“, Jacques Brels „Un enfant“ und Leonard Cohens „Hallelujah“. Letzeres übrigens mit einer deutschen Strophe. Und meine Musiker machen den Chor dazu. Sie können ja auch wunderbar singen.


Was dürfen wir an Weihnachtsliedern erwarten?
„Little Drummer Boy“ und einige deutsche Weihnachtslieder wie „Es ist ein Ros’ entsprungen“ und „Maria durch ein Dornwald ging“. Danach singe ich drei Weihnachtslieder mit einem Wiener Kinderchor, in diesem Fall mit jenem des Vereins Operette und klassisches Musical für Klein und Groß.


Welchen Reiz hat es für Sie, in sakralen Räumen zu singen?
Ein Weihnachtskonzert ist natürlich am besten in einer Kirche aufgehoben. Es ist ehrwürdig und bringt eine festliche Stimmung mit sich. Am Nachhall muss halt seitens der Technik ein wenig gefeilt werden.


2002 haben Sie ein Weihnachtsalbum in der Hamburger St. Michaeliskirche aufgenommen. Darauf war auch „Wenn sich Mühlen drehen im Wind“, Ihre Version des Michel-Legrand-Klassikers „Le moulins de mon coeur“. Was mögen Sie an diesem Chanson?
Das Lied hab ich zum ersten Mal in den Siebzigerjahren aufgenommen. Klaus Munro, der für mich sehr viele wichtige Songlyriks verfasst hat, hat den sehr poetischen Originaltext behutsam ins Deutsche übersetzt. Es war ein sehr erfolg­reiches Lied für mich. Ich habe es auch auf Englisch, Französisch und Griechisch gesungen und einige Millionen Singles davon verkauft. Als ich in den Siebzigerjahren in Paris lebte, habe ich auch mit Michel Legrand zusammengearbeitet und mehrere Titel von ihm aufgenommen. Aber „Le moulins de mon coeur“ war mein wichtigstes Lied von ihm.


Sind Sie ein gläubiger Mensch, im religiösen Sinn?
Normal gläubig. Ich gehe manchmal in die Kirche. Als meine Kinder klein waren, gingen wir ganz bewusst mit ihnen dahin, um ihnen diese Orte der spirituellen Einkehr zu zeigen. Aufdrängen wollte ich ihnen nie etwas. Jeder Mensch muss sich diesbezüglich selbst entscheiden.


In früheren Weihnachtsprogrammen sangen Sie das Lied „Free Again“. Wie definieren Sie Freiheit?
Das beginnt damit, dass man seine Meinung offen aussprechen darf. Als Frau, die noch aus weniger emanzipatorischen Zeiten kommt, war Freiheit schon früh die Möglichkeit, das eigene Leben selbst zu gestalten. Die Musik verschaffte mir diese Freiheit.


Ihr Vater hat Sie schon als kleines Mädchen musikalisch sehr gefördert. War das eine Art Drill, oder kam der Wunsch zu singen, aus Ihnen?
Der kam schon aus mir. Eigentlich war es so, dass in der Familie keiner wollte, dass ich singe. Das sei viel zu anstrengend für ein Mädchen, hieß es. Ich hatte damals schon einen ziemlich starken Willen und habe mich durchgesetzt. Mein großes Vorbild war übrigens Ella Fitzgerald.


Sie haben in den Siebzigerjahren eine Vielzahl von sehr beseelt gesungenen Coverversionen aus der Popmusik veröffentlicht. Hatten Sie da bei der Wahl der Titel immer freie Wahl?
Oh, ja. Absolut! Die Freiheit hatte ich immer. Das jeweilige Produktionsteam durfte nur ein, zwei Lieder aussuchen. Das waren dann die kommerziellen wie „Theo, wir fahr’n nach Lodz“, nicht unbedingt mein Lieblingssong. Aber Lieder wie „Scarborough Fair“ von Simon & Garfunkel oder „My Sweet Lord“ von George Harrison habe ich geliebt. Und die Beatles sowieso.


Im Siebzigerjahre-Schlager blühten auch die nationalen Klischees. Jedes Land hatte seine Vertreter. Ivan Rebroff gab den Russen, Mireille Mathieu die Französin, Sie wurden als Paradegriechin rezipiert. War das nicht manchmal lästig?
Ich fühlte mich schon manchmal eingeengt. Es gibt Schubladen, aus denen man einfach nie mehr herauskommt. Aber das ist schon okay, ich bin musikalisch ja weiterhin vielseitig geblieben.


Sie denken bei Ihrer Weihnachtstournee auch an die Kinder. Nicht nur, dass Sie sie einladen mitzusingen, Sie spenden auch einen Teil der Einnahmen an Kinderhilfswerke. Wen unterstützen Sie da konkret?
Insbesondere die Aktion „Ein Herz für Kinder“. Die Einnahmen unseres ersten Konzerts in der Marienkirche gehen vollständig dahin. Das ist ein Verein, den der Verleger Axel Springer in den Siebzigerjahren begründet hat. Unterstützt wird er auch durch  eine jährlich stattfindende TV-Gala. Ein Teil des Geldes bleibt in Deutschland, ein anderer geht in die Welt hinaus. Zusätzlich lasse ich bei Kirchenkonzerten Weihnachtsbäume von Freunden wie Udo Lindenberg, Otto Waalkes oder H. P. Baxxter von Scooter schmücken, die dann versteigert werden. Da kommt einiges Geld zusammen. In den vergangenen Jahren habe ich auf diese Weise immerhin mehr als 450.000 Euro spenden können.


Wie erinnern Sie sich an die Weihnachtsfeste Ihrer Kindheit?
Es wurde viel Wert auf Besinnlichkeit gelegt. Später mit den eigenen Kindern habe ich es auch so gehalten, dass das Materielle im Hintergrund bleibt. Während wir auf das Christkind gewartet haben, wurde viel gesungen, und Gedichte wurden aufgesagt. Weihnachten ist eine Zeit, in der ich meine Lieben bekochen darf. Diese Tradition behalten wir bei.


Was gibt es bei Ihnen?
Eine Weihnachtsgans mit griechischer Füllung in Orangen-Wein-Sauce. Kurioserweise gibt es diesbezüglich ganz unterschiedliche Gepflogenheiten. Es gibt Familien, die essen an Heiligabend traditionellerweise Würstchen mit Kartoffelsalat.


Wahrscheinlich feiert ein Bob Dylan ähnlich karg. Sie haben früh in Ihrer Karriere seinen Song „Don‘t Think Twice, It‘s Alright“ auf Französisch gesungen. Was sagen Sie dazu, dass er heuer den Literaturnobelpreis zugesprochen bekam?
Das finde ich großartig. Zweifelsohne ist er ein Dichter. Die da und dort aufgekommene Kritik finde ich völlig unangebracht. Gesungene Lyrik ist auch Dichtung und zirkuliert viele Tausend Jahre länger als das gedruckte Wort. Dylan hat mit seinen Liedern mehrere Generationen bewegt. Emotional und politisch. Ich habe mich sehr gefreut für ihn.


Wie beurteilen Sie die Qualität der Schlagertexte im Wandel der Jahrzehnte?
Sie spiegeln halt den jeweiligen Zeitgeist wider. Das auch, wenn sie eine heile Welt beschwören. Diese Sehnsucht hat ja auch ihre Berechtigung. Seit den vergangenen Jahren gibt es wieder interessantere Texte. Aber meiner Meinung nach haben die Menschen ein Anrecht darauf, unterhalten zu werden. Das Leben ist nicht immer lustig, und es ist gut, dass man zuweilen dem täglichen Dasein entfliehen kann. Ganz allgemein finde ich, dass sich der Schlager derzeit gut entwickelt. Und bedenkt man es genau, dann ist auch das politische Lied eine Form von Unterhaltung.


Was ist Ihre persönlich bevorzugte Art von Eskapismus?
Alte Hollywoodschinken und manchmal sogar Heimatfilme. Dabei entspanne ich mich.


Was wollen Sie mit Ihren Liedern bewirken?
Es wäre anmaßend, permanent darüber nachzudenken, was man in den Menschen bewirken könnte. Unterhalten will ich jedenfalls, und das durchaus auch auf dramatische Art. Immer nur lustig sein, das konnte ich nie. Meinem Wesen haben stets die Balladen mehr entsprochen.


Haben Sie eigentlich ein Lieblingslied in Ihrem aktuellen Weihnachtsprogramm?
„Hallelujah“ von Leonard Cohen. Das war ein ganz großer Künstler, der für mich auf demselben Niveau wie Bob Dylan anzusiedeln ist. Es wurde zwar auch von tausend anderen Künstlern gecovert, aber ich freue mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich es singen darf. Da steckt so viel Gefühl darin.

Tipp

Vicky Leandros. Die Weihnachtskonzerttournee macht in Wien Halt: Am 19.  Dezember um 20 Uhr in der Votivkirche, siehe auch www.votivkirche.at

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